Harper Lees "Wer die Nachtigall stört" und die Verfilmung mit Gregory Peck gehören zu den Werken, die in mir sofort eine fast schmerzhafte Sommerwehmut auslösen. Ich höre Grillen zirpen, ich sehe eine Südstaatenveranda, eine Schaukel und das Haus, in dem der geheimnisvolle Boo Radley haust.
„Wer die Nachtigall stört“ ist ein Gefühl, eine Empfindung. Der Film, Schwarzweiß, wurde in mir der Inbegriff schwüler Hochsommerabende. Die Gewissheit, dass es immer einen Atticus Finch gibt, der dich beschützt, der dir die Welt erklärt, fühlte sich nach Geborgenheit an. „Wer die Nachtigall stört“ war ein Lieblingsfilm meiner Mutter. Seit sie gestorben ist, ist der Film, ist das Buch, eine noch mächtigere Empfindung geworden. Eine wehmütige Erinnerung an eine Zeit, die so nie wieder kommen wird. Eine beschützte Kindheit in der alles gut wird, selbst in schwierigen Zeiten.
Harper Lee hat mit "Stelle einen Wächter", so das Feuilleton, diese idealistische Wehmut, Atticus Finch als Identifikationsfigur zertrümmert.
Mag sein. „To kill a mockingbird“ war ein politisches Buch. Es war das amerikanischste aller Bücher. Ein Mythos, den Harper Lee, so scheint es, nun ganz bewusst zerschlug.
Vielleicht zum richtigen Zeitpunkt, da es Amerika bewusst wird, dass es noch immer ein Rassenproblem hat, dass die Civil Rights Bewegung noch immer nicht überall angekommen ist.
Ich habe das Buch, selbst während oder gerade wegen meiner Zeit in Amerika nie als politisches Buch gelesen, sondern als eine Kindheitserinnerung. Später Eine Erinnerung an Amerika. Mag Atticus Finch nun entmystifiziert sein. Das Buch selbst, diese Beschreibung einer geborgenen Kindheit in den Südstaaten, wird nichts von seinen Zauber verlieren. Dieses Gefühl des Buches, das jeden, der es gelesen hat, begleitet und an die eigene Kindheit denken lässt. Bis heute taucht das Boo Radley Motiv in der Literatur auf. Zuletzt in Wolfgang Herrndorfs "Bilder deiner großen Liebe"
Ich habe nie wieder Holzverandas gesehen und Grillen zirpen gehört, ohne an Harper Lee zu denken. Und dieses Gefühl kann man nicht zertrümmern. Dieses Gefühl wird bleiben.
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