Samstag, 29. Februar 2020

Der Riesenwirbel um die anonyme Spende im Traunsteiner Stadtrat

Ein Exklusivinterview des Kasbladls mit einem anonymen Spender

Was ist nur in Traunstein los? Wo kommen die ganzen anonymen Spender her? Wird der Historische Verein den Bürgermeister stellen? Fragen über Fragen - das schreit förmlich nach einer Rückkehr des Südostbayerischen Kasbladls, des zweitbesten Satireblattes im gesamten Chiemgau!
Unserem investigativen Reporter Karl-Heinz Kasbladl ist es gelungen, nach 90 Sekunden Facebook-Recherche, den beliebtesten anonymen Spender Traunsteins ausfindig zu machen. Da K.H. Kasbladl selbst Mitglied im Historischen Verein werden will, war er aus rein journalistischen Gründen der ideale Gesprächspartner.

Der Stadtrat hat - mit Ausnahme der SPD - in einer streng geheimen Sitzung beschlossen, sich erst genauer über die Bedingungen Ihrer Spende zu informieren und die Entscheidung vertagt. Was sagen Sie dazu?
Der Beschluss kam für mich sehr überraschend. Ich hatte erwartet, dass meine Millionenspende so kurz vor der Wahl freudig angenommen wird. Ich habe doch alles im Vorfeld juristisch so geregelt, dass es für den Bürgermeister keinen Grund zur Ablehnung gibt. 
Und wie beurteilen Sie die Reaktionen der "normalen Traunsteiner"?
Reaktionen der normalen Traunsteiner dürfte es eigentlich gar nicht geben - wegen der Geheimhaltung. Nachdem einige Parteifreunde von Herrn Dr. Hümmer unter dem Facebook-Post des Historischen Vereins bezüglich der Spende ebendiese diskutierten, ist für mich offensichtlich, dass sich das Leck einzig und allein beim Umfeld von Dr. Hümmer befindet. Gehören sie eigentlich auch zum Umfeld vom Dr. Hümmer, Herr Kasbladl?
Natürlich nicht, ich gehöre zum Umfeld vom Historischen Verein. Außerdem stelle ich hier die Fragen!
Was muss passieren, damit Sie ihre generöse Spende nicht doch wieder zurückziehen?
Haben Sie schon geschrieben, dass ich jederzeit die Spende zurückziehen kann? Schreiben Sie das auf! Ich ziehe die Spende natürlich nicht zurück, wenn diese Angriffe auf den amtierenden Oberbürgermeister aufhören. Sowas gehört sich im Wahlkampf nicht.
Was muss der Stadtrat unternehmen, damit die Millionen doch noch fließen?
Der Stadtrat hätte halt nicht darüber nachdenken sollen, sondern mir und dem Bürgermeister einfach vertrauen sollen! Außerdem sollten Sie als Kasbladl-Reporter wissen, dass man Anträge im Stadtrat, die an einem Unsinnigen Donnerstag gestellt werden, immer blind durchwinken muss!
Würden Sie Ihre Millionen auch einem Satireblatt wie dem Kasbladl spenden?
Das Gespräch ist hiermit beendet.
Das Kasbladl bedankt sich. Der Salinenpark ist übrigens super geworden! 


Dienstag, 4. Februar 2020

Vom Anfang der Einsamkeit - Ferdinand von Schirach in Stein

Ferdinand von Schirach liest beim "Leseglück" in Stein an der Traun


Ferdinand von Schirach ist der vielleicht hochkarätigste Autor, den das Gymnasium Stein bisher für die Steiner Literaturtage gewinnen konnte. Einer der meistgelesenen international veröffentlichten deutschen Autoren, der zugleich für Intellektualität und literarische Qualität steht. Klar, ganz Stein stand Kopf, die Veranstaltung war restlos ausverkauft und kleine Autoren wie ich wären außen vor geblieben. Auch, weil ich von Ferdinand von Schirach nur zwei Dinge wusste. Dass er der Cousin meines Lieblingsschriftstellers ist. Und er die Klappentextempfehlung von "Panikherz" geschrieben hatte. Mehr hatte ich von ihm nicht gelesen. 
So scharf wie die Rhetorik auf der Bühne sind die Fotos vom Huawei P30 nicht.
Umso mehr hatte ich von Ralf Enzensberger gelesen, der als Moderator nach Stein geladen wurde. Und er überredet mich schließlich, nicht nur als aktiver Teil der hiesigen Literaturszene zu agieren, sondern endlich einmal auch als passiver.
Vielbeschäftigt wie ich bin, kam ich zum Literaturevent des Jahres eine halbe Stunde zu spät und musste erst mit der Einlassdame diskutieren, ob ich rein durfte. Für 25 Euro durfte ich. Von Schirach ließ sich von meinem Stühleknarzen und Mantelrascheln nicht stören und referierte inbrünstig über Europa, Menschenrechte und Werte. Als alle spontan applaudierten, klatschte ich frenetisch mit, obwohl ich geistig der Argumentationslinie nicht ansatzweise gewachsen war. Aber es war das Stichwort "Europa" gefallen und ich wollte kein Mensch sein, der beim Stichwort Europa nicht begeistert klatscht. Während ich immer überzeugter wurde, dass es sich um eine politische Veranstaltung handelte, verwandelte sich der eindrucksvolle Sermon doch noch in einen literarischen Text. Plötzlich klatschen wieder alle, das Licht ging an und von Schirach verschwand von der Bühne. Ich will meine 25 Euro zurück, skandierte ich und man beruhigte mich, es sei Pause. 
In der Pause gab es, anders als auf den Plakaten angepriesen, keine Zigaretten und Kaffee. Dafür Apfelschorle und Steiner Bier. Vom Who is Who Der hiesigen Literaturszene waren alle Lektorinnen, Netzwerkerinnnen und künftigen First Ladys da, die Rang und Namen hatten.
Die zweite Halbzeit bot den glücklich vom Buffet zurückkehrenden kauenden Kulturliebhabern ein rhetorisches Rededuell mit einer besonders geschärften Sprachklinge. Moderator Ralf Enzensberger bemerkte gleich in der Aufwärmphase des geplanten lockeren Plausches, dass junge Menschen wie er regelmäßig auf Youtube surften. Das geplante lockere Gespräch mit dem älteren Herren war laut Ferdinand von Schirach ab da vorbei – sehr zur Freude des Publikums. Denn das anschließende Wortgefecht zwischen Jung-Moderator und dem vermeintlichen Alt-Literaten verlief auf höchstem Niveau und ich bedauerte sehr, dass ich beim Beobachten mit offenem Mund kein Popcorn zur Hand hatte. Während die einen begeistert auf die nächste Spitze des Großliteraten warteten, hofften die anderen auf den einen Moment, an dem sie etwas wirklich Ergreifendes vom Schriftsteller erfuhren. Es ging beinahe im gegenseitigen Frotzeln unter, dass es Ralf Enzensberger gelang, diesen einen intimen Moment aus ihm heraus zu kitzeln. Er sprach von Schirach mit Bezug auf Eleanor Rigby auf Einsamkeit an. Für einen Moment fiel die Maske des launigen Rhetorik-Großmeisters und von Schirach erzählte leise, fast mit sich selbst sprechend, über die einsamen Momente in den Nächten. Er betonte, dass für ihn Einsamkeit etwas anderes sei, als Alleinsein und in diesem Moment war es bis in die letzte Reihe zu mir zu spüren, dass Ferdinand von Schirach dort oben zwar nicht allein, aber zutiefst einsam war.
Später erzählte er auf leise Weise, traurig reflektierend, dass er als junger Mann das Gefühl hatte, die Zeit sei etwas Zähflüssiges. Nun, mit fortschreitendem Alter werde sie immer schnellflüssiger und inzwischen weiß er, dass die Zähflüssigkeit der Jugend etwas Gutes war.
Zuletzt kam noch das Publikum zu Wort. Die Zuhörer hatten die einmalige Chance, einen der großen Geister unseres Kulturkreises eine einzige Frage zu stellen. Und was fragten sie? Frau 1: „Sie haben zuerst behauptet, dass Montesquieu die Perser-Briefe geschrieben hat. Dann, dass es Voltaire war. Da ist ihnen doch ein Lapsus unterlaufen, oder?“ Die zweite Frage, die das Leben des glücklichen Fragestellers für immer verändern sollte, lautete: „Ich bringe einen Ernährungsratgeber heraus. Möchten sie das Vorwort schreiben?“ Die berührende Antwort des Poeten: „Nein.“
Zum Schluss riet er den Schülerinnen und Schülern des Schloss-Internats Stein noch, dass sie sich von niemanden raten lassen sollten, welchen Beruf sie zu erlernen hätten. Sie sollten genau das erlernen, was sie gerne machen. Den Zuhörern allgemein gab er den Hinweis, sie sollen sich die Welt, die Menschen einfach anschauen, ohne sie zu beurteilen. Und, um noch ein letztes der vielen Bonmots zu nennen, ein Satz der mich sehr berührt hatte: „Literatur ist nie eine Macht. Sie kann nur Trost sein.“ Ich war untröstlich, dass ich nicht mehr genug Geld hatte, um mir „Kaffee und Zigaretten“ zu kaufen. Dafür hatte ich einen Abend erlebt, den ich so schnell nicht vergessen werde.

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