Mein 2007er - Ich |
Holm Friebe und
Sascha Lobo machten im Jahr 2005 mit ihrem Buch „Wir nennen es Arbeit“ die
digitale Boheme bekannt. Tenor des Buches war, dass mit den neuen Medien jeder
es schaffen kann, auch ohne Festanstellung sich gut zu vernetzen, seine Arbeit bekannt
zu machen und damit Geld zu verdienen.
Ich habe das
Buch erst jetzt, über zehn Jahre später, in die Finger bekommen. Zehn Jahre,
das sind in Sachen Internet ein Jahrhundert. Und auch wenn das Buch noch immer
unterhaltsam und inspirierend ist, wirkt es aus einem Grund mehr als verstaubt:
Facebook. 2005 war das soziale Netzwerk Nummer Eins noch „Xing“. Heute kaum
vorstellbar.
Drehen wir die
Zeit zurück und werfen einen Blick auf digitale Boheme in Traunstein. Besser
gesagt, einem digitalen Boheme:
Warum gibts die Lokalisten nicht mehr? |
Während Passig,
Friebe, Lobo & Co. nicht nur gut schreiben, sondern auch programmieren
konnten, warf ein Nachwuchsautor in Traunstein nach einigen HTML-Versuchen
rasch das Handtuch. Internet, das war nix für ihn. Er stellte einen Text auf „e-stories.de“
und sorgte auf Sagen.at mit seinem Bericht über den Finstermann von Kirchanschöring für eine noch heute herumgeisternde Urban Legend... Das wars.
Erst,
als in kurzer Folge zunächst „studi VZ“, „Lokalisten“ und schließlich „Facebook“
wie aus dem Nichts auftauchten, begann er die Marketingmöglichkeiten des Internets
wieder für sich auszunutzen. Mit einem Facebookprofil aus dem Jahr 2006 war er
einer der ersten in Deutschland – zumindest im Chiemgau.
Auf myspace
stellt er seine Kurzgeschichten, auf den Lokalisten bloggte er – als Fortsetzungsroman
die Subkultur-Novelle „Glamorous Indie Rock’n Roll Girl“ und anschließend die
ersten Kapitel der Kleinstadtrebellen. Er meldet sich mit einem Account als 21-jährige
Ursel Obermaier an (Single) und seine Romanfigur bekommt Dutzende
Dating-Anfragen.
Als Digitaler
Boheme alles richtig gemacht. Oder?
Während in
Berlin die „Zentrale Intelligenz Agentur“ entstand und man auf den Foren der „HöflichenPaparazzi“ seit Jahren gebloggt hatte, wirkten diese hilflosen
Vernetzungsversuche sowas von 1999.
Wie die "Kleinstadtrebellen" begannen... |
Heute, im Jahr
2016 habe sogar ich eine richtige Homepage, und ein Blog aber irgendwie fehlt
das Netzwerk, um sich gegenseitig zu verbinden. Irgendwie gibt es in Traunstein
keinen Sascha Lobo, nicht einmal einen Joachim Lottmann der sich mit mir
verbinden möchte.
Im keine
fünfzehn Kilometer entfernten Grassau ist es einer jungen Frau gelungen, die Sache
ein wenig schlauer anzugehen: Ronja von Rönnes Blog „Sudelhelft“ war nicht nur
wesentlich besser geschrieben, sie hat auch ziemlich rasch den Chiemgau
verlassen, um an die literarisch wichtigen Orte zu gehen: Hildesheim, natürlich
Berlin. Und wir, die traurige digitale Boheme Chiemgau, zu der neben mir auch
noch der Firnwald und einige der Chiemgau-Autoren gehören, sitzen immer noch
seufzend vor unseren Rechnern und fragen uns, wann es auch hier endlich 2005
wird.
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