Wie "Auerhaus", das Buch des Jahres 2015, Erinnerungen an früher weckt
Unser Auerhaus hieß Lacknerhaus. Ein uraltes Bauernhaus neben der Kirche. Die
Bewohner waren glücklicherweise nicht suizidgefährdet. Im Gegenteil. Ein
regional berühmter Popstar, ein Szene DJ und der lustigste Fußballer des
Dorfes. Sie waren alle schon Mitte Zwanzig und veranstalteten Tupperpartys und
versuchten sich als Goaßlschnalzer. Und ich? Ich hatte gerade meine
Aufforderung zur Musterung bekommen. Seit zehn Jahren hatte ich Angst vorm
Bund. Jetzt war es soweit. Ich musste verweigern. Oder ausgemustert werden.
Sogar der Popstar, der gleichzeitig noch der beste Fußballer der Region war, war ausgemustert worden. Ich wurde mit "2" beurteilt. Na Klasse. In der
Theorieprüfung war ich sogar einer der Besten. Anfängerfehler.
Der
DJ vom Lacknerhaus überließ mir sein Verweigerungsschreiben. Das hatte auch
beim Bruder vom Fußballer schon geklappt.
Ich
brauchte nicht mal zu lügen. Bis auf das Luftgewehr vom Papa hatte ich nie eine
Waffe in der Hand gehabt und auch nicht vor, das jemals zu ändern.
Unser Auerhaus damals: Die Jugendherberge |
Angst
hatten wir alle vor der Prüfungskommission, wegen der Sache mit dem nackten
Russen und der Panzerfaust, ja von so Szenarien wie im Auerhaus beschrieben,
hatten wir auch gehört. Aber noch mehr Angst hatte ich vor dem Bund und der nihilistischen
Sauferei. Obwohl ich sehr trinkfest war damals.
Aber
meine Wehrdienstverweigerung wurde bewilligt. Und ich bekam vom DJ seine alte
Zivistelle vermittelt: In einer Jugendherberge am Chiemsee. Es gibt weitaus
Schlimmeres.
Mein
eigenes Auerhaus: Ein großes auch noch. Ein Jahr in einer Jugendherberge. Woche
für Woche die Schulklassen, im Sommer die Rucksacktouristen(innen). Zu sechst
wohnten wir dort. Die Herbergseltern waren die Hölle. Am liebsten triezten sie
Zivildienstleistende. Wir waren eine Schicksalsgemeinschaft. Jeder hatte seine Geschichte.
Der eine brannte mit einer der Besucherinnen durch. Ein anderer wurde ein
bekannter Reggaemusiker Alle liebten wir es, dort zu sein. Und waren genau so
froh, als es wieder vorbei war.
Jahre
später gab es ein Auerhaus Teil 3. Die Generation unserer kleinen Geschwister gründete
eine WG in der Nachbarstadt. Sie nannten es schlicht „Bauernhaus“. Es spukte
dort und in einem verschlossenen Raum lagen stapelweise Briefe aus der Nazizeit.
Es gab Partys im großen Stil, allesamt illegal und zum großen Finale machte die
Polizei mit vier Einsatzwagen dem Spuk ein Ende. Keine Ahnung, wie viele
Straftatbestände damals festgestellt worden sind. Sicher nicht wenige. Und
einige dieser Geschichten wurden schließlich in den „Kleinstadtrebellen“ festgehalten,
einem „Auerhaus“ für Anfang Zwanzigjährige.
Kennt
Ihr noch mehr Bücher im Geiste vom Auerhaus? Wo war Euer Auerhaus damals?
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