Teil 2 der Realsatire über die Chiemgauer Kulturszene
Ich feiere meinen Geburtstag im Büro. Mein Chef greift nach
dem Marmorkuchen, den meine Frau gebacken hat und sagt, dass er die Brösel am
liebsten mag. Die Blätter der Zimmerpflanzen in der Ecke hängen welk herunter,
ich schmeiß sie in Gedanken in einen Sack und zum Fenster raus. Öffentlicher
Dienst, manchmal kann ich nicht fassen, dass ich an diesem Schreibtisch sitze
und mir die Träume von Neuntklässlern anhöre, die Schriftsteller werden wollen.
Ich weiß es längst besser und bin ein super Berater, was sie alles in ihrem
Leben garantiert nicht werden.
Früher habe ich meine Geburtstage mit Julia und Susi
gefeiert. Julia ist inzwischen Modekünstlerin in Wien und hat sich seit 10
Jahren nicht mehr gemeldet. Und Susi studiert Regie in München. Verstohlen
schaue ich mir unter dem Tisch mit dem Handy Facebook Fotos der beiden von der
Schmiede Hallein an. Die Kollegen reden darüber, ob man sich als Beamter mit
Rückenproblemen schon mit 63 verrenten sollte. Susi ist mit einem Musiker
zusammen, der auch schreibt und für den bayerischen Rundfunk arbeitet. Er
schreibt mittelmäßig, also nicht schlechter als ich und ich bin gelb vor Neid,
dass die Typen vom BR sich alle gegenseitig hochjazzen und jeden Scheiß als hip
verkaufen. Dann muss ich an den Typ denken, der einmal mit meiner Schwester
ging, im Fasching immer eine Penisnase trug und jetzt für die Süddeutsche
schreibt. Was will mir das Leben wohl mitteilen? Penisnase bei der Süddeutschen
und ich im Arbeitsamt. Hätten wohl beide was Anständiges lernen sollen.
Immer mehr Kollegen kommen rein und beglückwünschen mich
so übertrieben herzlich, als könnte ich etwas für meine Geburt. Sie wollen Kuchen.
Unterm Tisch checke ich über Google Analytics, wie viele
Leute gestern auf meinem Blog waren. Vier. Nur zwei davon länger als 20
Sekunden. Tatsache, kein Schwanz interessiert sich für meine Arbeit. "Wie
geht's dir eigentlich bei deiner Arbeit?", fragt mein Chef kauend. Ich
stecke das Handy wieder in die Hosentasche.
Seit einem Jahr pflege ich eine Homepage, auf der ich
anfangs Literatur postete. Erst seit ich ein lustiges Papablog schreibe, habe
ich nennenswerte Klickzahlen, da einige Leserinnen von Brigitte MOM auf meine
Seite geleitet werden. Das ist natürlich zum Kotzen und nicht das, was ich mir
an meinem 22. Geburtstag von meinem Leben erhofft hatte. Das war übrigens der,
an dem Julia und Susi dabei waren. Damals dachte ich noch, ich werde
Schriftsteller, daran muss ich immer denken, wenn ich die Neuntklässler berate. Dass ich mit 22 noch keinen blassen Schlimmer davon hatte, mit 36 einmal in einem kahlen
Büro mit welkenden Topfpflanzen zu sitzen, mit Marmorkuchen und der Gewissheit,
dass man alles richtig gemacht hat. Bis auf die Berufswahl: Man ist
Berufsberater geworden.
Zum Teil 1 geht's hier:
http://lesenszeichen.blogspot.de/2014/09/alois-ist-erleuchtet-das-erste-kapitel.html
Zum Teil 1 geht's hier:
http://lesenszeichen.blogspot.de/2014/09/alois-ist-erleuchtet-das-erste-kapitel.html
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