Samstag, 16. Januar 2016

Erinnerung an das "Auerhaus" unserer Jugend

Wie "Auerhaus", das Buch des Jahres 2015, Erinnerungen an früher weckt


Unser Auerhaus hieß Lacknerhaus. Ein uraltes Bauernhaus neben der Kirche. Die Bewohner waren glücklicherweise nicht suizidgefährdet. Im Gegenteil. Ein regional berühmter Popstar, ein Szene DJ und der lustigste Fußballer des Dorfes. Sie waren alle schon Mitte Zwanzig und veranstalteten Tupperpartys und versuchten sich als Goaßlschnalzer. Und ich? Ich hatte gerade meine Aufforderung zur Musterung bekommen. Seit zehn Jahren hatte ich Angst vorm Bund. Jetzt war es soweit. Ich musste verweigern. Oder ausgemustert werden. Sogar der Popstar, der gleichzeitig noch der beste Fußballer der Region war, war ausgemustert worden. Ich wurde mit "2" beurteilt. Na Klasse. In der Theorieprüfung war ich sogar einer der Besten. Anfängerfehler.
Der DJ vom Lacknerhaus überließ mir sein Verweigerungsschreiben. Das hatte auch beim Bruder vom Fußballer schon geklappt. 
Ich brauchte nicht mal zu lügen. Bis auf das Luftgewehr vom Papa hatte ich nie eine Waffe in der Hand gehabt und auch nicht vor, das jemals zu ändern. 
Unser Auerhaus damals: Die Jugendherberge
Angst hatten wir alle vor der Prüfungskommission, wegen der Sache mit dem nackten Russen und der Panzerfaust, ja von so Szenarien wie im Auerhaus beschrieben, hatten wir auch gehört. Aber noch mehr Angst hatte ich vor dem Bund und der nihilistischen Sauferei. Obwohl ich sehr trinkfest war damals. 
Aber meine Wehrdienstverweigerung wurde bewilligt. Und ich bekam vom DJ seine alte Zivistelle vermittelt: In einer Jugendherberge am Chiemsee. Es gibt weitaus Schlimmeres. 
Mein eigenes Auerhaus: Ein großes auch noch. Ein Jahr in einer Jugendherberge. Woche für Woche die Schulklassen, im Sommer die Rucksacktouristen(innen). Zu sechst wohnten wir dort. Die Herbergseltern waren die Hölle. Am liebsten triezten sie Zivildienstleistende. Wir waren eine Schicksalsgemeinschaft. Jeder hatte seine Geschichte. Der eine brannte mit einer der Besucherinnen durch. Ein anderer wurde ein bekannter Reggaemusiker Alle liebten wir es, dort zu sein. Und waren genau so froh, als es wieder vorbei war.
Jahre später gab es ein Auerhaus Teil 3. Die Generation unserer kleinen Geschwister gründete eine WG in der Nachbarstadt. Sie nannten es schlicht „Bauernhaus“. Es spukte dort und in einem verschlossenen Raum lagen stapelweise Briefe aus der Nazizeit. Es gab Partys im großen Stil, allesamt illegal und zum großen Finale machte die Polizei mit vier Einsatzwagen dem Spuk ein Ende. Keine Ahnung, wie viele Straftatbestände damals festgestellt worden sind. Sicher nicht wenige. Und einige dieser Geschichten wurden schließlich in den „Kleinstadtrebellen“ festgehalten, einem „Auerhaus“ für Anfang Zwanzigjährige.


Kennt Ihr noch mehr Bücher im Geiste vom Auerhaus? Wo war Euer Auerhaus damals?

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