Benedict Wells großartigster Roman
Benedict Wells ist ein älterer
Schriftsteller, der Schnulzenromane schreibt. Dachte ich lange Zeit. Never judge
a book by it’s cover. Die Jahre in denen ich darum rang, ein guter Schriftsteller
zu sein, orientierte ich mich überwiegend an Wolfgang Herrndorf, Thomas
Glavinic und John Green. Herrndorf lebt nicht mehr, Glavinic ist schon lange
nicht mehr aufgetaucht und John Green ist weit weg. Benedict Wells, hörte ich
immer wieder von geschätzten Autorenkollegen. Warum ich nicht Benedict Wells
lesen würde? Ich versuchte es mit „Becks letzter Sommer“. Ich hatte noch immer
den älteren Schnulzenautor im Kopf und mochte den Ton des Buches nicht. Nach fünfzehn
Seiten weggelegt. Irgendwann stolperte ich über den extrem inspirierenden Blog
eines Autors, etwas jünger als ich. Er schrieb über seine Liebe zu John Irving
und wie die Lese-Erfahrung eines Irving-Romanes in ihm die Wunsch erweckte,
selber Schriftsteller zu werden. Ich erinnerte mich daran, wie ich zu meinem
19. Geburtstag „Garp und wie er die Welt sah“ geschenkt bekommen hatte und wie
mich das Buch mit einer Begeisterung für Literatur erfüllte, die ich bis dahin
nicht für möglich gehalten hatte. Ich fand diesen jungen Schriftsteller
ungemein sympathisch und fand mich in vielen seiner Sätze wieder. Tja, es war
tatsächlich Benedict Wells. Dass er ursprünglich sogar aus München stammt und
sich bewusst gegen seinen eigentlichen – ungemein berühmten – Nachnamen entschied,
machte mir diesen jungen Mann so sympathisch, dass ich noch einmal „Becks
letzter Sommer“ in die Hand nahm. Ich brauchte immer noch eine Weile, bis ich
mit dem Ton und dem Hauptprotagonisten warm wurde. Aber als ich verstand, wie
Benedict Wells arbeitet, begann mich die Geschichte mehr und mehr zu
begeistern. Und das sei noch nicht einmal sein bestes Buch, wurde mir
versichert. Nun ja, drei Bücher später bin ich endgültig zum Fanboy mutiert und
ich fürchte, ich habe ein neues Autorenvorbild. Warum? Wegen Sätzen wie diesen:
„Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.“ Ein Satz
wie dieser beschreibt alles, wie und worüber ich schreiben möchte und muss. Ich
habe die letzten Jahre am Abgrund geschrieben, vieles vom „Ende der Einsamkeit“
ist mir vertraut. Was ich noch nicht wusste ist, wie kann man diesen Abgrund in
einem Buch festhalten? So festhalten, dass man das Buch trotz aller Abgründe
abgrundtief liebt. So geht es also. So und nicht anders. Bevor ich den Tod
kennenlernte, schrieb ich über Euphorie und verrückte Menschen und gelbe Wunderkerzen,
die wie Feuerräder unter den Sternen explodierten. Das Zitat von Jack Kerouac
kommt in jedem meiner Bücher bis heute in irgendeiner Form vor. Und auch
Benedict Wells hat es in die „Einsamkeit“ eingewebt. Zutiefst glücklich weiß
ich nun, dass es dort draußen doch noch einen Schriftsteller der Generation,
der ich mich zugehörig fühle gibt, der in mir die absolute, bedingungslose
Liebe zur Literatur entfacht. Ich werde weiter schreiben und hoffen, dass ich
irgendwann auch nur ansatzweise an der Intensität dieses Romans kratzen darf.
Und das einzige, das ich bedaure ist, dass ich nicht der einzige Mensch auf der
Welt bin, der sein Talent erkannt hat. Dass Benedict Wells längst zu groß ist,
als dass er seine Email-Adresse ins Netz stellt, damit hoffnungsvolle
Nachwuchs-Autoren wie ich ihn um Rat bitten können. Aber man kann ja versuchen,
ab sofort so lange über Benedict Wells zu schreiben, bis er es liest – oder jemand,
der seine Kontaktdaten hat. Also melde Dich!
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