Es könnte eine Sehenswürdigkeit sein. Jetzt wird es abgerissen
Das Thomas-Bernhard-Haus wird abgerissen. |
Man stelle sich mal die leicht geänderte Überschrift vor: "Papst-Benedikt-Haus wird abgerissen" - man mag sich gar nicht ausmalen, welche Stadtrats-Sondersitzungen und Lichterketten dies ausgelöst hätte. Klar, einen österreichischen Literatur-Papst kann man nicht mit einem wahrhaftigen emeritierten vergleichen. Aber in Sachen Tourismus kann, seitdem die Reisebusse aus Italien weniger werden, sehr wohl die Frage gestellt werden, ob nicht inzwischen mehr Thomas-Bernhard-Jünger in die Stadt kommen, um auf den Spuren ihres Idols zu wandern. Es mag den Traunsteinern seltsam erscheinen, aber Thomas Bernhard hat bis heute eine leidenschaftliche Fan-Gemeinde. Wer sich dessen überzeugen will, sollte einmal eine von Willi Schwenkmeiers Thomas-Bernhard-Spaziergängen beiwohnen. Er erfährt auf diesen literarischen Stadtführungen auch, dass hinter Thomas Bernhards Traunstein-Beschimpfungen ein bisschen mehr steckt als eine profane Abrechnung mit der Stadt seiner Kindheit. Und auch, dass Bernhard über das kleine Ettendorf ebenso liebevoll geschrieben hat wie er auf Traunstein schimpfte.
Aber mit der literarischen Wirkung von Bernhards "Ein Kind" haben sich weder der der Redakteur des Traunsteiner Tagblatts noch der Besitzer des Thomas-Bernhard-Hauses eingehender auseinandergesetzt. Tenor im Zeitungsartikel: Das Haus ist nicht denkmalgeschützt, also kann man es auch abreißen. Außerdem, so der Besitzer: "Meine Oma hat ihn als Kind erlebt, als ein ziemlich auffälliges und gestörtes Kind, muss ich dazu sagen".
Ein "Weltliterat"? |
Und dieses gestörte Kind hat dann in seinem Buch über seine Kindheit auch noch geschrieben: "Nichts ist ekelerregender als die Kleinstadt, und genau die Sorte wie Traunstein ist die abscheulichste". Vielleicht sollte man nicht unerwähnt lassen, dass Thomas Bernhard während des Dritten Reiches in Traunstein gelebt hat.
Unfassbar für Traunstein, dass dieses gestörte Kind als "Mann der Weltliteratur" bis heute so eine enorme Wirkung auf Literaten und Leser ausübt. Man fühlt sich sogar genötigt, das Bronzeschild, das auf Thomas Bernhard hinweist, auch am Neubau wieder anzubringen. "Falls die Stadt das wünscht".
Ob die Stadt das wünscht? Denn darin scheint man sich in Traunstein einig: "Nichts ist ekelerregender als ein Weltliterat, und genau die Sorte wie Thomas Bernhard ist die abscheulichste!"
Hier: Thomas Bernhards Spaziergang durch Traunstein
Gerade, 07.01.2021 lese ich, dass das Thomad Bernhard Haus in Traunstein abgerissen wird, am Montag 11.01.2021 und wundere mich, dass tatsächlich niemand sich dagegen gestellt hat. Der Vater, vermutlich dessen Mutter und der Besitzer selbst sind ja nicht unbedingt im intellektuellen Traunstein zu finden, daher wundert mich diese flapsige Antwort des Sprösslings nicht. Das Schlimme, den Traunsteinern ist Thomas Bernhard nicht unbedingt geläufig als ein hochangesehener Künstler. Daher kommt auch so eine völlig dummliche Bemerkung, nach dem ein Kind noch als angesehener Schriftsteller beurteilt wird.
AntwortenLöschenSchade, hätte ich es eher erfahren, ich hätte wenigstens einen Versuch gestartet. Aber ich habe es gerade erst durch Zufall gelesen. Jetzt ist es zu spät.