Das muss man sich mal vorstellen: Der Lieblingsstar lädt nicht nur zur Lesung ein, sondern direkt zu sich nach Hause auf eine Grillparty! Ronja von Rönne mal nicht bei Böhmermann oder Bachmannpreis, sondern ein "Meet and greet" privat im Garten der Familie! Nichts geringeres durfte ich den Literaturfreunden im Chiemgau anbieten.
In Berlin Mitte hätten sich die Feuilletonleser gegenseitig Messer in die Rücken gerammt, um dabei sein zu dürfen. Und auch ich war mir sicher, die Leute werden auf Wochen mein Telefon lahmlegen, um sich einen freien Platz im Garten der von Rönnes zu sichern.
Doch sind wir nicht in Berlin, sondern im Chiemgau... Vielleicht muss es so sein, dass man in der Heimat des Künstlers auf müdes Schulterzucken stößt und verzweifelt herumtelefonieren muss, um wenigstens zehn nette Menschen zu finden, die freiwillig auf eine Lesung einer Nachwuchsautorin aus dem Nachbardorf gehen. "Ronja von Rönne? Wer ist das?" "Nee, die Ronja kenn ich noch von früher, nicht so mein Fall" (vermutlich vom Kaufland) "Klar komm ich. Ach so am Samstag? Da ist doch Champions League Finale!"
Sowohl "Wir kommen", als auch Sudelheft, sogar die Feminismus-Debatte hat ein ganzer Landstrich im tiefsten Oberbayern komplett verschlafen.
Nachdem ich ein Foto der Autorin postete, sagten doch noch 15 zu, von denen die Hälfte schließlich tatsächlich kam. Der Rest dachte, die Lesung sei am Sonntag, fuhr nach Traunstein oder fand das Haus der von Rönnes nicht.
Sie verpassten Ronja von Rönnes schönste Lesung.
Abendsonne, Vogelzwitschern, ein Pavillon im Grünen und eine gutgelaunte Autorin, die ein erstes Mal nur vor Familie und Freunden las.
Ich selber verpasste sie allerdings auch. Ich hatte meine zwei aufgeweckten Jungs dabei. Der Kleinere stinkte gleich beim ersten Kapitel von "Wir kommen" die Hose voll und nutzte auch anschließend jede Gelegenheit, um Ronjas Lesung mit seinem neuesten gelernten Wort zu boykottieren: "Ohnein!"
Ronja las aus dem Sudelheft: "Ohnein!" Ronja las das Kauflandkapitel aus Wir kommen: "Ohnein!" Der Größere hörte eine Weile andächtig, fast verschreckt zu. Als ihm klar wurde, dass Ronja zwar den kleinen Prinz erwähnt, aber keine Anstalten machte, Kindergeschichten vorzulesen, wandte auch er sich dem kindlichen Krawallmachen zu. Während zwei Elternteile verzweifelt versuchten, den Krach der Kinder auf Lesungsniveau zu dämpfen, rief eine Chiemgau Autorin zum vierten Mal an, um mir mitzuteilen, dass es besagte Adresse in Grassau nicht gäbe. Wir mussten wohl alle am falschen Ort sein.
Nach der Lesung wurde gegrillt und getrunken. Doch bevor ich endlich einmal mit meiner Lieblingsautorin eine Flasche Wein runterkippen konnte, musste der Kleine noch irgendwie in den Schlaf gewagelt werden. Nach einer Stunde gab ich auf. Ich kannte inzwischen den großen Garten auswendig, im Rasen war die Spuren meiner Wagelrunden zu sehen. Aus der Ferne sah ich zu, wie viel Spaß alle an Ronjas Tisch hatten und kurz dachte ich daran, dass es doch am wichtigsten ist, zwei glückliche Kinder zu haben.
Natürlich war mir klar, dass dieser Satz und diese Situation ebensogut im ironiedurchzogenen "Wir kommen" hätte stehen können.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen