Dienstag, 12. April 2016

Wie alles begann

Oder: Ab wann ist man ein Schriftsteller?

Ist man Schriftsteller, wenn man auf der Bühne steht...?
Viele Autorenkollegen beginnen ihren Werdegang mit „Schon in der Grundschule schrieb ich meine erste Geschichte...“ Natürlich. Aber kann man den Erlebnisaufsatz aus der dritten Klasse schon als literarisches Werk einstufen?
Ab wann ist man eigentlich ein Schriftsteller? Ab den ersten Schreibversuchen? Dem Abschluss des ersten Buches? Oder erst dann, wenn man verlegt wird? 
Ist man etwa bereits ein Schriftsteller, wenn man es „in sich hat“? Oder Literatur studiert? John Irving hat mit seinem Garp
...oder auf der Titelseite...?
beispielsweise eine Figur ersonnen, die sich früh als Schriftsteller bezeichnete, ohne auch nur eine Zeile geschrieben zu haben
Und mit diesem ersten Roman, der meine gesamte damalige Welt auf den Kopf stellte, nannte ich mich auch Schriftsteller. Da war ich zwanzig. Ist irgendein Text, der damals in meinem Kopf herumspukte heute veröffentlichungswürdig? Um Gottes Willen!
Der junge Mann, den ich heute als Schriftsteller bezeichnen würde, der wurde ich erst zehn Jahre später. Und vielleicht wird mein heutiges Ich erst in zehn Jahren jemand sein, den man mit Fug und Recht als Schriftsteller bezeichnen kann. Oder vielleicht auch nie.
...oder mit coolen Kollegen auf dem
Plakat?
Das Gefühl, Schriftsteller zu sein. Wie Alles begann: 2009 stand ich ein erstes Mal auf einer Bühne. Im Publikum die 150 Autoren und Gäste der Schrobenhausener Literaturwerkstatt. Darunter Norbert Niemann und meine Dozentin Ursula Krechel. Sie hatte aus mir innerhalb weniger Tage die Erzählung "Paartanz" herausgekitzelt, die ich noch heute als einen starken Text gelten lasse. Im illuminierten Park des Schrobenhausener Pflegschlosses las ich in dieser Augustnacht ein erstes Mal öffentlich einen Prosatext. Ich stolperte danach betrunken durch die Stadt, anstatt mit den preisgekrönten Autoren zu fachsimpeln, aber verdammt, es fühlte sich nach Schriftsteller an!
Ein Jahr später stellte ich mich für das alternative Kunstfestival "Jung und Willig" auf die Bühne, diesmal mit Lyrik und in der Festung Traunstein. Ein Experiment. Einige Skinheads skandierten „Aufhören!“ Ich war stolz. Aber wieder weit weg davon, ein Schriftsteller zu sein. 
Eine zweite Teilnahme in Schrobenhausen brachte mich ebenso wenig weiter wie das „Lesen Lassen“ im Literaturhaus Salzburg. Ich wurde Zweiter, aber es fühlt sich nicht nach Schriftsteller an. 
Im Seniorenheim Aschau
Ab Herbst 2011 organisierte Michael Inneberger für die Chiemgau Autoren Lesungen im Seniorenheim Aschau. Etwas begann zu brodeln. Ich war drei Mal dabei, verdiente ein erstes Mal richtig gutes Geld als Autor und das bunte Ambiente war ein idealer Ort, um Erfahrung als Vorleser zu sammeln. Ich probiere alles aus. Die Pfalzreise. Die Kurzgeschichten. Sogar die Kleinstadtrebellen. Es sind Zuhörer unter 90 Jahren dabei. Es gibt Diskussionen und Fragen an den Autor. Es gibt einen Scheck vom Veranstalter. Fühlt es sich so an, Schriftsteller zu sein?
Der erste große Auftritt in Traunstein
Auf einmal ging es ganz schnell: Christa Fuchs lud mich ein, im Studio 16 zu lesen. Im Publikum saß eine Germanistin die mir anbot, die Kleinstadtrebellen zu lektorieren. Innerhalb weniger Monate wurde der Roman druckreif. Im selben Jahr hielt ich mein erstes Buch in der Hand. Es folgten Lesungen quer durch den Landkreis. Der erste Auftritt bei den Kulturtagen. Die Rückkehr nach Schrobenhausen, dorthin wo alles begann.

Diese Woche werden die Kleinstadtrebellen ein erstes Mal von einer Schulklasse gelesen. Die Reise ist noch nicht vorbei. Fühlt es sich nun nach Schriftsteller an? Zugegeben, ein bisschen!

Mehr zu lesen gibt es auf www.bernhardstrasser.de
Noch mehr Fotos hier: Impressionen

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