Oder: Ab wann ist man ein Schriftsteller?
Ist man Schriftsteller, wenn man auf der Bühne steht...? |
Viele
Autorenkollegen beginnen ihren Werdegang mit „Schon in der Grundschule schrieb
ich meine erste Geschichte...“ Natürlich. Aber kann man den Erlebnisaufsatz aus
der dritten Klasse schon als literarisches Werk einstufen?
Ab
wann ist man eigentlich ein Schriftsteller? Ab den ersten Schreibversuchen? Dem
Abschluss des ersten Buches? Oder erst dann, wenn man verlegt wird?
Ist
man etwa bereits ein Schriftsteller, wenn man es „in sich hat“? Oder Literatur
studiert? John Irving hat mit seinem Garp
beispielsweise eine Figur ersonnen,
die sich früh als Schriftsteller bezeichnete, ohne auch nur eine Zeile geschrieben
zu haben
...oder auf der Titelseite...? |
Und
mit diesem ersten Roman, der meine gesamte damalige Welt auf den Kopf stellte,
nannte ich mich auch Schriftsteller. Da war ich zwanzig. Ist irgendein Text,
der damals in meinem Kopf herumspukte heute veröffentlichungswürdig? Um Gottes
Willen!
Der junge
Mann, den ich heute als Schriftsteller bezeichnen würde, der wurde ich erst
zehn Jahre später. Und vielleicht wird mein heutiges Ich erst in zehn Jahren
jemand sein, den man mit Fug und Recht als Schriftsteller bezeichnen kann. Oder
vielleicht auch nie.
...oder mit coolen Kollegen auf dem Plakat? |
Das
Gefühl, Schriftsteller zu sein. Wie Alles begann: 2009 stand ich ein erstes Mal
auf einer Bühne. Im Publikum die 150 Autoren und Gäste der Schrobenhausener
Literaturwerkstatt. Darunter Norbert Niemann und meine Dozentin Ursula Krechel.
Sie hatte aus mir innerhalb weniger Tage die Erzählung "Paartanz" herausgekitzelt, die
ich noch heute als einen starken Text gelten lasse. Im illuminierten Park des
Schrobenhausener Pflegschlosses las ich in dieser Augustnacht ein erstes Mal
öffentlich einen Prosatext. Ich stolperte danach betrunken durch die Stadt,
anstatt mit den preisgekrönten Autoren zu fachsimpeln, aber verdammt, es fühlte
sich nach Schriftsteller an!
Ein
Jahr später stellte ich mich für das alternative Kunstfestival "Jung und
Willig" auf die Bühne, diesmal mit Lyrik und in der Festung Traunstein.
Ein Experiment. Einige Skinheads skandierten „Aufhören!“ Ich war stolz. Aber
wieder weit weg davon, ein Schriftsteller zu sein.
Eine
zweite Teilnahme in Schrobenhausen brachte mich ebenso wenig weiter wie das „Lesen
Lassen“ im Literaturhaus Salzburg. Ich wurde Zweiter, aber es fühlt sich nicht
nach Schriftsteller an.
Im Seniorenheim Aschau |
Ab
Herbst 2011 organisierte Michael Inneberger für die Chiemgau Autoren Lesungen
im Seniorenheim Aschau. Etwas begann zu brodeln. Ich war drei Mal dabei,
verdiente ein erstes Mal richtig gutes Geld als Autor und das bunte Ambiente war ein idealer Ort, um Erfahrung als Vorleser zu sammeln. Ich probiere alles
aus. Die Pfalzreise. Die Kurzgeschichten. Sogar die Kleinstadtrebellen. Es sind
Zuhörer unter 90 Jahren dabei. Es gibt Diskussionen und Fragen an den Autor. Es
gibt einen Scheck vom Veranstalter. Fühlt es sich so an, Schriftsteller zu
sein?
Der erste große Auftritt in Traunstein |
Auf
einmal ging es ganz schnell: Christa Fuchs lud mich ein, im Studio 16 zu lesen.
Im Publikum saß eine Germanistin die mir anbot, die Kleinstadtrebellen zu
lektorieren. Innerhalb weniger Monate wurde der Roman druckreif. Im selben Jahr
hielt ich mein erstes Buch in der Hand. Es folgten Lesungen quer durch den
Landkreis. Der erste Auftritt bei den Kulturtagen. Die Rückkehr nach
Schrobenhausen, dorthin wo alles begann.
Diese
Woche werden die Kleinstadtrebellen ein erstes Mal von einer Schulklasse
gelesen. Die Reise ist noch nicht vorbei. Fühlt es sich nun nach Schriftsteller
an? Zugegeben, ein bisschen!
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