Donnerstag, 8. Oktober 2015

Warum Angela Merkel und Deutschland den Friedensnobelpreis verdient hätten

Die Stimmung kippt. Das Deutsche Sommermärchen ist vorbei. In den Medien lösen verstärkt Berichte von Missständen in Flüchtlingslagern und kriminellen Flüchtlingen jene von helfenden Bürgern und tatkräftigen Aktionskreisen ab.
Die Rechtskonservativen, die Pegida-Bewegungen, die besorgten Stammtischwutbürger haben wieder Oberwasser bekommen. Die Stimmung kippt.
Gerade jetzt wäre ein deutliches Zeichen von außen notwendig, um den deutschen Gutmenschen zu danken und dem Land den Spiegel vorzuhalten, was die letzten Wochen eigentlich geschehen ist. Der Friedensnobelpreis wäre ein politisches Signal dafür, dass dieses Land einen vielleicht irrationalen, aber einen richtigen Weg eingeschlagen hat. 
Wie kam es eigentlich dazu, dass ein reiches europäisches Land ohne Not die Grenzen für Flüchtlinge geflutet hat? Wie kommt es eigentlich dazu, dass dies als so außergewöhnlich gilt, dass man es als friedensnobelpreiswürdig statt als selbstverständlich betrachtet?
Die Jahre zuvor gab es ebenfalls Flüchtlingsströme. Nur wenige Flüchtlinge kamen bis Deutschland durch. Viele ertranken im Meer, wer es irgendwie an Frontec vorbei in die Festung Europa schaffte, wurde in erster Linie von Italien, Griechenland, den Mittelmeer-Anrainern aufgenommen. 
Schließlich die Bilder von überfüllten Zügen. Männer in Uniform, Familien mit Kindern, ausgezehrt und müde, auf Bahnsteigen wartend. Es sind Bilder, die jeder Deutsche fest verankert im Kopf hat. Allerdings in Schwarz-Weiß. Plötzlich sind die Bilder farbig. Und anstatt in eine Todesfabrik werden die Menschen nach München gebracht. Nach Dortmund. Nach Freilassing. Sie werden von Menschen empfangen, die ihnen Hilfe anbieten, die sich aufopferungsvoll kümmern, Nachtschicht für Nachtschicht. Wäre Auschwitz nicht ein Wort, das unter keinen Umständen in etwas Positives verwandelt werden kann, wäre man versucht zu schreiben, gerade geschieht ein umgekehrtes Auschwitz. Deutschland versucht, dem Schrecken seiner Vergangenheit etwas Gutes, etwas menschliches entgegenzusetzen. Deutschland versucht, das einzig moralisch richtige zu tun. Ohne Wenn und Aber. Horst Seehofer ist entsetzt.
Es wird psychologisiert, was nur in Angela Merkel gefahren ist. Warum es in Deutschland trotz Pegida-Bewegung und CSU so viel Hilfsbereitschaft gibt. Ob es die typische deutsche Selbstgeißelung ist, sich ein Flüchtlingsproblem ungeahnten Ausmaßes ins Land zu holen.

Es mag eine politisch irrationale Entscheidung sein, aber menschlich ist es schlicht und einfach die einzig richtige Entscheidung gewesen. Angela Merkel und tausende freiwillige Helfer haben sie getroffen. Und wenn das keinen Friedensnobelpreis wert ist, was sonst?

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