Sind die Bayern bierzeltborniert oder bunt und weltoffen – eine Reflexion
Die Bayern, das sind diese latent rechtsideologisierten
Leberkäsamigos, wohlhabend, traditionsorientiert und kampfeslustig, wenn jemand
das bayerische in Bayern zu verwässern droht. Gleichzeitig gibt es in Bayern
eine bunte Begrüßungskultur für Flüchtlinge, eine selbstbewusste Schwulenszene,
eine teils bis in die Populärkultur vorgedrungene Musik- und Literaturavantgarde.
Bayern ist erfolgreich, nicht nur in Sport und Wirtschaft. Was ist Bayern eigentlich?
Der Spiegel hat sich in seiner aktuellen Titelgeschichte der bayerischen
Zerrissenheit angenommen. Liest man den Artikel, hat man allerdings das Gefühl,
er wurde von zwei „Preussn“ geschrieben. Hier also eine bayerische
Selbstreflexion:
Den Zwiespalt kennen wir echten Bayern selbst. Während
mir die Bierzelttrachtler ebenso wie die monarchistisch veranlagte Regierungspartei
stets fremd geblieben sind, war ich im Ausland und im außerbayerischen
Deutschland stets mit einem unergründlichen bajuwaren Heimatstolz glücklich
über die Rolle, als „der Bayer“ zu gelten.
Zu Hause allerdings fühlte ich mich nie bayerisch, hatte
25 Jahre lang keine Lederhose im Schrank stehen, nur einmal, ein Anfängerfehler,
beim Wahlgang der Regierungspartei ein Kreuzchen gemacht und war im
Fußballverein der, dem das Bier nicht schmeckt. Wie zu Hause habe ich mich
dennoch immer gefühlt. Vielleicht, weil ich in einem außergewöhnlichen Dorf
aufwachsen durfte. Oder auch, weil Bayern tatsächlich beides ist: Traditionell
borniert und weltoffen.
Das erfolgreichste Beispiel, wie man die bayerische
Zerrissenheit in ein funktionierendes Konzept umwandeln kann, ist die Arbeit
von Stefan Dettl. Der fast postkartenhafte Klischee-Oberbayer, sozialisiert im
Trachtenverein, Blasmusiker und heimatverbunden, hat etwas geschaffen, das das
neue Bayern perfekt repräsentiert: Zunächst mit seine Band LaBrassBanda, die
Einflüsse von Balkanklängen und elektronischer Musik in ihre Blasmusik
einfließen ließen und zu einem Popphänomen wurden. Mehr noch aber mit der
Zeitschrift „Muh“, die äußerst lesenswert den schmalen bayerischen Grat zwischen
selbstbeweihräuchernder Bayern-Nostalgie und aufrüttelnder Systemkritik
bewältigt.
Denn auch das gehört zur bayerischen Kultur: Die
Subkultur. Schwabinger Krawalle bis zurück zum Simplicissimus, der beißenden
Münchner Satirezeitung für die Ludwig Thoma und Frank Wedekind gifteten.
Das Bayern in dem ich aufgewachsen war, war noch ein
Land, in dem Frauen anonyme Telefondrohungen bekamen, wenn sie am Sonntag zur
Kirche ein buntes Kleid trugen und 30-jährige Söhne von ihren Müttern verboten
bekamen, sich mit anderen Frauen zu treffen. Schwarz und katholisch.
Gleichzeitig begann eine Entwicklung, dass CSU-Bürgermeister grüne Politik
betrieben, auf nachhaltigen Umweltschutz setzten und einen Grundstein legten,
dass Jahre später die ersten syrischen Flüchtlinge mit Blasmusik und offenen
Armen empfangen wurden.
Das alte und das neue Bayern hat sich längst vermengt.
Wenn der beste Plattler am Ort ursprünglich aus der DDR stammt, keiner so
bayerisch frotzeln kann wie ein Türke, ist das Land auf einem guten Weg,
weiterhin Tradition und Moderne zu vereinigen.
Inzwischen darf ich über dieses Thema eine regelmäßige Kolumne schreiben. Sie heißt "Mein Alltag in Weißblau" und ist hier zu finden: https://www.chiemgauseiten.de/bernhard-strasser/mein-alltag-in-weissblau/
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen