Samstag, 7. März 2020

A bissel was geht immer - Helmut Dietl, sein Leben, sein München

Warum mich Helmut Dietls Biographie berührt hat


Ich wollte unbedingt Helmut Dietls Biographie lesen. Als ich entdeckte, dass es sogar eine Autobiographie aus seiner eigenen Feder gibt, war ich erst begeistert. Nach Durchlesen des Vorworts extrem enttäuscht. Alles, wofür ich mich interessierte, die wilden Bussi Bussi Achtziger in der Münchner Schickeria, die Entstehung vom Monaco Franze, die Zeit mit Barbara Valentin – nichts von alledem würde in der Autobiographie vorkommen. Warum? Leider ist Helmut Dietl während des Schreibens des Buches verstorben, ehe er – wie er es selbst ausdrückte – überhaupt bei seiner ersten Ehe angelangt war. Wollte ich ein Buch über eine Kindheit im München der Fünfziger lesen? Eigentlich nicht. Aber nach einigen Seiten bezauberte mich die liebevolle, literarische Erzählstimme von Helmut Dietl so sehr, dass ich nicht mehr aufhören konnte. Und spätestens mit Beginn der Sechziger Jahre und Dietls Erwachen als junger Mann, der sich ganz wahnsinnig für Frauen interessiert, wurde das Buch doch noch zum erhofften Inspirationsquell. Die Schwabinger Kneipen, die Reichen, Schönen und Kreativen an der Bar. Wer sich, wie ich fragte, wie ein junger Münchner aus der unteren Schwabinger Mittelschicht so eine grandiose Karriere als Regisseur und Produzent machen konnte, der bekommt einige zarten Antworten. Einerseits, weil Dietls Großvater einst ein gefeierter Stummfilm-Star war. Auch wenn das Buch leise andeutet, dass die leibliche Verwandtschaft nicht ganz gesichert ist. So oder so, der junge Dietl war bereits jemand, der sich etwas traute, der andere für sich und sich für andere begeistern konnte. Er fiel wohl schon als Teenager in den Schwabinger Szenekneipen den Kulturschaffenden auf und spätestens, als ihn seine ersten amourösen Abenteuer in die Film- und Regieszene verschlug, war sein Weg wohl vorgezeichnet. Leider gibt es im Buch diesen Missing Link, wie aus dem 20-jährigen Dietl der Regisseur der Münchner Geschichten wird. Im Anhang finden sich noch einige Schnipsel aus der Zeit, als er längst mit dem Monaco Franze bundesweit für Furore gesorgt hatte. Er beschreibt die turbulente Suche nach der Besetzung des Baby Schimmerlos und wie schwer es war, Franz Xaver Kroetz als Idealbesetzung durchzubringen. Klar, genau von diesen Geschichten hätte ich mir noch weitere 300 Seiten gewünscht. Was bleibt, sind seine Filme. Dort hat er doch eh bereits alles erzählt, sagt Dietl. Und wenn man sich einmal mehr „Rossini“ anschaut, glaubt man ihm sofort. Mein kleiner Trost bleibt, dass Benjamin von Stuckrad-Barre dem späten Helmut Dietl einige wunderschöne Kapitel in seinem „Panikherz“ gewidmet hat. Und dass inzwischen genug Zeit vergangen ist, um sogar „Zettl“ gar nicht mal sooo schlecht zu finden. Helmut Dietl bleibt für mich der Künstler, mit dem ich mich zwar lange Zeit gar nicht beschäftigt habe, dessen Arbeit mich trotzdem seit meiner Kindheit immer wieder intensivst inspiriert und begleitet hat. Monaco Franze, Schtonk, Vom Suchen und Finden der Liebe. Und jetzt also er selbst als Kunstfigur, die er ja auch irgendwie immer war. Ja, das Buch war eine Überraschung. Eine Empfehlung für alle, die München, Schwabing und die frühen Sechziger Jahre lieben.

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