Samstag, 11. August 2018

Auf der Suche nach den Geschichten der Vorfahren

Ahnenforschung 4.0

Das Wappen der Strasser
Auf der Suche nach interessanten Geschichten habe ich vor über 15 Jahren den Onkel Leo gefragt, ob er mir nicht etwas über einen Anschöringer Spukort erzählen könne. 
Der Onkel Leo hat mich ausgelacht und kopfschüttelnd geschimpft, es gäbe so viele mitreißende Geschichten aus unserer Familienvergangenheit und ich wolle etwas über Spukorte wissen... 
Er warf mir an den Kopf, dass mein Opa Hitler töten wollte, dass meine Uroma einen Heiratsantrag vom König-Ludwig-Schlossbauer erhalten hatte und erzählte etwas von einem "Franzosen" unter unseren Ahnen. 
All die Anekdoten waren faszinierend, aber sie gaben für mich Laien keinen richtigen Sinn. 
In den Folgejahren begab ich mich auf die Spurensuche nach den Geschichten die mir der Onkel Leo erzählt hat. Und ohne es zu wollen bin ich tief hineingeschlittert in die Ahnenforschung und Geschichtsschreibung.
Einen kleinen Stammbaum hatte bereits der Onkel Hans zusammengestellt. Er bezog sich auf die engste Familie und beinhaltete kaum die Geschichte hinter den Daten. Als der Onkel Hans und später der Onkel Leo starben, wurde mir bewusst, dass die Geschichten verloren gehen würden, wenn sie nicht jemand einsammelte. 
Ich begann, die "Alten" zu interviewen. Den Mangsbauer, den alten Niedergünzl, der sich mit den Weltkriegsgeschichten auskannte und seine Schwester, die gerne Geschichten erzählte.
Ich tauschte mich mit Heidrun und Karl vom Heimatverein aus und wir begannen, unsere Ergebnisse abzugleichen. Jedes Jahr an Allerheiligen befragte ich die Tante Hedwig, die von allen am meisten wusste und am wenigsten preisgeben wollte. So lange bis mich meine Frau wegzog, weil ich wieder übersehen hatte, wie sehr die alten Geschichten meine Tante noch schmerzen, weil es ihre Geschichten sind, ihr Schicksal.
Ich spazierte hinaus nach Voglaich, nach Güßhübel, nach Watzing, zu den Bauernhöfen aus denen meine Vorfahren stammten. Stieß in einer Sebastians-Kapelle auf eine unglaubliche Pest-Geschichte. Nach und nach fügten sich die Puzzlesteine zu einer Familiengeschichte zusammen.
Es stellte sich heraus, dass die Frau, die den Heiratsantrag des Schlossbauers ablehnte, auch noch das Schiffsunglück am Waginger See überlebte (Siehe: Das faszinierende Leben der Maria Bruckmüller). Ich erfuhr, dass mein Opa nicht erst Weihnachten 1944 zum Widerständler wurde, sondern bereits 1940. Es stellte sich heraus, dass sich sogar die Wege meines Opas mit denen von Luise Rinser kreuzten. Und wieder entstand eine Geschichte: Die Schriftstellerin und der sture Zimmerer
Auf der Suche nach dem "Franzosen" stolperten wir im  Stammbaum über einen Korporal Martin Scheid, dessen uneheliche Tochter nicht nur den Jellenbauernhof, sondern auch den Mangsbauernhof erbte und somit Dynastiegründerin von gleich zwei bedeutenden Anschöringer Familien war. 
Ein k.u.k. Korporal der in den Napoleonischen Kriegen kämpfte - konnte das der Franzose sein?
Ein erstes Mal half  das Internet weiter. Dank der Digitalisierung hatte ich Zugang zu militärischen Listen der k.u.k. Armee. War der Martin Scheid, der in der 11. Infanterie Division - stationiert in Prag - Dienst tat, unser "Franzose"? 
Je weiter wir in der Vergangenheit zurückreisten, desto einfacher wurde es seltsamerweise, von zu Hause aus Daten einzusehen. 
Wie das möglich ist? Die großen Archive wie die des Erzstiftes Salzburg haben ihre Urkunden längst digitalisiert. So kann ein Hobby-Ahnenforscher wie ich von zu Hause aus stundenlang durch die Salzburger Geschichte des 15. Jahrhunderts surfen. 
Man muss es einmal ausprobiert haben und außerdem ein absoluter Nerd sein um nachzuempfinden, dass man sich völlig in diesen digitalen Archiven verlieren kann.
Was wird erst möglich sein, so frage ich mich, wenn erst einmal auch die kleinen Kirchenarchive ihre Schätze digitalisiert haben?
Die Geschichte der Straßer in Anschöring endet 1644. 
Aber nicht ganz. Bereits im Jahr 1533 wird ein Jakob Strasser erwähnt, der ein "Gut in Antschering" gekauft hat. 
Mit Hilfe von www.monasterium.net habe ich in monatelanger Recherchearbeit von zu Hause aus die spannende Familiengeschichte des Salzburger Adelsgeschlechts der Strasser rekonstruiert. 
Leider ist es mir die Königsdisziplin nicht gelungen: Eine Verbindung zwischen dem Salzburger Adel und den Anschöringer Bauern herzustellen.
Eine Weile sah es so aus, dass jenes Baumanngut, das der erste verbürgte Straßer Vorfahre besessen hat, womöglich dem Tittmoninger Stadtrichter Wolfgang Paumann gehört hatte.
Der war 1527 als Wiedertäufer in Salzburg enthauptet worden - was für eine spektakuläre Geschichte! Wer will nicht seinen Stammbaum mit einer derartigen Story aufpeppen?
Wenn nämlich Jakob Strasser damals das Baumann-Gut gekauft hätte - in dem 100 Jahre später sein Namensvetter auftaucht - alle Indizien hätten dafür gesprochen, dass eine Verwandtschaft besteht.
Und alles sah zunächst danach aus: 1533 - also keine fünf Jahre nach Paumanns Tod hatte Jakob Strasser ein Gut von Wilhalm Schoenpucher gekauft.
Einer der Tittmoninger Stadtrichter der Paumann ins Amt folgte, hieß ebenfalls Schoenpucher! Alle Puzzlestücke schienen so gut zusammenzupassen.
Dann stellte sich heraus, dass der Tittmoninger Schoenpucher Sigmund hieß. 
Und Manfred Liebl vom Tittmoninger Archiv, der für mich recherchierte, ob die Paumanns ein Gut in Anschöring besaßen, schickte eine Fehlanzeige.
Auch so kann es Ahnenforscher gehen, dass ein vermeintlicher missing link sich als Sackgasse herausstellt und der schöne erweiterte Stammbaum in sich zusammenkracht.
Also keine adeligen Vorfahren.
Oder doch?
Die Suche geht jedenfalls weiter!

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