Diagnose Glioblastom: Wie gehe ich damit um?
Dem Schriftsteller Wolfgang Herrndorf wurde 2010 ein
Gehirntumor diagnostiziert. Ein Glioblastom, der häufigste bösartige
Gehirntumor. Oder der bösartiste der häufigen Tumore. Eine der
niederschmetternsten Diagnosen, die ein Mensch überhaupt bekommen kann. Wie der
inzwischen verstorbene Autor damit umging, beschrieb er ausführlich in seinem
bewegenden Blog "Arbeit und Struktur".
Kerzen in Altötting |
Herrndorf hat die tödliche Erkrankung 3 Jahre lang
besiegen können.
Knapp ein Jahr nach seinem Tod bin ich selbst Angehöriger
eines am selben Tumor erkrankten Menschen geworden. Vieles aus Arbeit und
Struktur hilft mir, Krankheit und Erkrankten zu verstehen.
In diesem Fall geht der Erkrankte, nennen wir ihn D.,
aber so ganz anders mit seinem Schicksal um, als Herrndorf. D. ist, was mich
wieder und wieder erstaunt, sogar das krasse Gegenteil.
D. ist ein gläubiger Mensch. Er hat eine Familie, zwei
Kinder, hat acht Wochen vor der Diagnose kirchlich geheiratet. Er hat auf der
Hochzeit eine bewegende Rede gehalten, wie viele Schicksalsschläge seine kleine
Familie bereits durchstehen musste. Da ahnte niemand, dass der schlimmste erst
bevorstand. Niemand hätte mehr Grund, mit dem Schicksal, mit Gott zu hadern. Er
hadert wohl auch. Aber sein Glaube scheint stärker. Er sucht die Gottesdienste
im Klinikum Großhadern auf, er pilgert nach Altötting, um in der Gnadenkapelle
zu beten, er dankt Gott laut bei jeder Gelegenheit für seine Familie und die
Hilfe, die er erhält. Er lädt das ganze Dorf ein, mit ihm gemeinsam während
einer Andacht zu beten. Die Kapelle der Dorfkirche ist zum Bersten gefüllt. Der
Pfarrer ist erstaunt über die vielen Menschen, die an einem gewöhnlichen
Mittwochabend in die Kirche strömen. Sie beten für die Kranken der Gemeinde,
vor allem aber für D. Und als während der Andacht die Tür aufgeht und D.
selbst, auf Krücken und seine Frau gestützt, eintritt, ist das Erstaunen noch
größer. Gemeinsam betet er für sich, aber auch für die anderen Kranken, für die
Helfer, die Pflegenden. Herrndorf hatte es nicht ertragen, wenn wegen ihm
geweint wurde. In dieser Kapelle weinen die Betenden und die Kranken gemeinsam.
Und dennoch wird nach der Andacht viel gelacht. Es geht
im Glauben um Hoffnung, Zuversicht und Liebe. Die einzigen Heilmittel gegen die
Angst. Und die Angst, die Depression ist es meistens, so der Pfarrer, die den
Tod herbeiführen, nicht der Tumor.
Das wusste letztendlich auch Wolfgang Herrndorf. Was er
in der letzten Sekunde vor seinem Tod gefühlt hat, ob selbst er, wie er es
immer ausgeschlossen hatte, an etwas göttliches glaubte, konnte er nicht mehr
aufschreiben.
Hier beginnt Herrndorfs Blog: http://www.wolfgang-herrndorf.de/2010/04/daemmerung/
Mehr über Wolfgang Herrndorf:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen