Sonntag, 8. Juni 2014

Wo man gelebt hat, wo man zu Hause war

Menschen kommen und gehen. Die Wohnung bleibt.
Und manchmal war sie ein Zuhause.
Als Kind meint man, man wird für immer in dem Haus leben, in dem man aufwächst. Das Kind, das ich war, wurde von Umzügen verschont. Ich wohnte in einem Haus in einem Dorf. Wir hatten einen Wald und einen Bach und später eine richtige Insel, auf der wir Lagerfeuer machten. 
Ich zog vom Kinderzimmer ins Gästezimmer und zog mit 17 temporär aus. 
Das neue Haus stand in einer bunten Siedlung, die mir vorkam, als habe sie Walt Disney designet. Die Stadt eine kleine Großstadt in den USA und meine Nachbarin war die Tante von dem Typ, der Kurt Cobains Schrotflinte gekauft hat. Mein Zimmer klein, Bayernposter an der Wand. Der gelbe Schulbus hielt einen Block weiter und ich spazierte stundenlang unter den Kiefern des Manito Parks. 
Mit 21 lebte ich in einer Jugendherberge. Wir Zivis hatten eine WG, drei Zimmer, Stockbetten, Gemeinschaftsraum, Damenbesuch. Öffnete man die Türe, kreischten Schülerinnen und man hörte das Klackern der Ping Pong Platten. 
Mit 21 fuhr ich nach Mannheim, das definitiv nicht im Ruhrgebiet lag, und unterschrieb am Wasserturm meinen ersten Mietvertrag. Der Vermieter fuhr mich, am Schloss vorbei zum Rhein und ich konnte es kaum fassen, dass dies hier meine neue Heimat sein würde. 
25 Quadratmeter. Bett, Küche, Fernseher in einem Raum. Fünfzehn Partygäste hüpfen auf dem Bett, es gibt U-Boot zu trinken und der Grund zu Feiern variiert. Als der Wohnungsschlüssel drei Jahre später zurückgegeben wird, könnte ich heulen. Schöner wird's nicht mehr. 
Mit 25 ein Zimmer in Rosenheim. Mietvertrag von Anfang Herbstfest bis Ende Herbstfest des nächsten Jahres. Dazwischen Tristesse. 35 qm, Elektrogrill und Bierzeltgarnitur am Balkon, brüllende Nachbarn gegenüber. Joggen an der Mangfall, Baden im Happinger Weiher. 
Mit 26 erste gemeinsame Wohnung mit der Freundin. Seitlich des Stadplatz in Traunstein. Aussicht auf die Unterstadt, 2 Zimmer, 70 qm. Ehemalige Partywohnung. Samstags klingeln noch immer Teisendorfer. Vier Jahre lang Partytradition aufrecht erhalten. Karaoke an Silvester, fassungslose Nachbarn. Dienstags Malzduft, Freitags Metro. Stadtfest vor der Haustür, betrunkene Gorillas. Kotzgrünes Bad. 
Mit 30 mit meiner Verlobten eine Wohnung in Ettendorf gekauft. 120 qm, drei Zimmer, zwei Bäder, zwei Balkone. Holz, überall Holz, Blick auf die Wahrzeichen, Heiraten vor der Haustür. Aus drei Zimmer werden vier, Kinderzimmer Sandkasten am Balkon. 
Man denkt als Kind, dass man für immer in dem Haus wohnt, in dem man aufwächst. Mit jeder neuen Wohnung hofft man auf das Gefühl, zu Hause zu sein, angekommen zu sein. 
Mit 35 scheint auch dieser Abschnitt für mich und meine Familie zu Ende zu sein. Mir blutet das Herz, die traumhafte Wohnung in Ettendorf aufzugeben. Zu schön die Lage, zu perfekt die Küche, zu viele schöne Erinnerungen im Wohnzimmer. 
Aber es wartet ein Häuschen mit Garten auf uns. Wir haben es nicht gefunden, es hat uns gefunden. Die nächsten großen Entscheidungen stehen an. 
Und diesmal wird es die letzte Station sein, denke ich. Vielleicht nicht für unsere Kinder. Aber für uns. Vielleicht. 



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