Mittwoch, 30. April 2014

Nicht etwa ein Bayernfan!


Ob ich ein Bayernfan bin, wurde ich neulich gefragt. Ich habe nur zögernd geantwortet, lange überlegt und unsicher gesagt. Es gibt ja so manches, was ich bin und sein möchte: Vater, Berufsberater, Schriftsteller. Aber Bayernfan? Darüber habe ich gestern lange nachgedacht, als ich in der Nordkurve stand, mich erst halb heiser geschrien habe und anschließend beim Debakel Dahoam mit litt. 
Bin ich ein Bayernfan? Was ist ein Bayernfan?
Ist man ein Bayernfan, wenn man einen sauteuren Oberrang-Sitzplatz hat und sich trotzdem in die Kurve zu den Stehplätzen schmuggelt? Ist man ein Bayernfan, wenn man das Trikot trägt, auf dem „Schweinsteiger“, oder sogar „Tymoshchuk“ steht? 
Ist man ein Fan, wenn man wütend auf die Fans ist, die nach einem Rückstand pfeifen und beleidigt das Stadion verlassen? 
Wahrscheinlich bin ich kein Bayernfan, weil ich mich freue, wenn Dortmund gegen Real gewinnt. Weil ich die Lieder über Giesinger Bauern nie mitgesungen und die Fäkalhymnen auf den Gegner schon immer peinlich gefunden habe? 
Wahrscheinlich bin ich echt kein Bayernfan, weil ich gestern ganz begeistert war, den derzeit besten Fußballer der Welt live gesehen zu haben. Und weil ich nicht enttäuscht war, dass der bessere gesiegt hat. Und weil ich heute Morgen nicht die Bild-Zeitung hochgehoben und geschimpft habe, der Pep ist in einem Jahr nicht mehr da.
Nein, eigentlich bin ich kein Bayernfan, nicht einmal ein Fussballfan. Aber dann beginnt einen Tag später so ein leichtes Grunmeln in der Magengegend.  Nachdem man die Zeitungen gelesen hat, denkt man an. Lissabon und wie verdammt geil es für einen Fan ist, im Champions League Finale zu stehen. Und wie weh es tut, es zu verlieren. Und auf einmal regt sich da etwas, das man Enttäuschung oder Empathie nennen könnte.
Nein, ich habe weder '99, noch beim Finale Dahoam geheult. Aber, verdammt noch eins, hat das weh getan und tut noch immer weh, fünfzehn Jahre später, wie kann sowas sein? Also doch ein Bayernfan?
Ich habe letztes Jahr in der Toskana eine gemütliche Weinrunde einer Gruppe hochkulturliebender Schriftsteller gesprengt, weil Champions League Finale war. Ich bin im Trikot dagesessen, habe gelitten und gejubelt, während mir erklärt wurde, dass Fußball Volksverdummung ist und es den Spielern nur ums Geld geht.
Aber diese unfassbare Energie, die der Fußball entfacht, ist etwas, das einem tatsächlich den Stecker zieht und so magisch ist, dass wir den Millionären in diesen Glücksmomenten jeden Cent gönnen und am liebsten mit mehr Scheinen bewerfen würden, falls ihnen das wirklich etwas bedeutet, weil wir selbst so scheißglücklich sind. 
Und wer, wie ich, gestern Teil der Choreografie in der Allianz Arena war und die Energie gespürt hat, die ein ganzes Stadion erfasst hat, nur weil so etwas profanes wie ein Fußballspiel veranstaltet wird, der muss sich letztendlich eingestehen: Ja, ich bin ein Fan.

Mehr von mir gibt's auf bernhardstrasser.de

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