Freitag, 10. März 2017

Martin Suter fabuliert von rosa Elefanten

Elefant - Roman

Martin Suter gehört zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Auch seine Neuerscheinung "Elefant" landete sofort auf Platz 1 der Bestsellerlisten. Ist der Hype um Martin Suter gerechtfertigt? 
Zunächst ein Lob an den Schweizer Autor: Seit Jahren habe ich kein Buch mehr so schnell ausgelesen wie seinen "Elefant". Der Wermutstropfen: Ich habe mich auch seit Jahren mit keinem so trivial schön geschriebenen, anderes gesagt, einfach geschriebenen, Buch beschäftigt. Unterhalten hat es mich trotzdem.
Aber von Anfang an: Martin Suter führt den Leser nach Zürich, ans Ufer des Flusses der Limmat und ins Obdachlosenmilieu. Schoch, ein seit Jahren obdachloser ehemaliger Investmentbanker, findet in seine Schlaf-Höhle einen handtaschengroßen, rosa leuchtenden Elefanten vor. Natürlich hält er dieses Fabelwesen zunächst für das Produkt seines Rausches, aber der Elefant ist real. Und Suter führt den Leser nach und nach in die Geschichte von Sabu, dem leuchtenden Mini-Elefanten ein. Der ist nämlich das sensationelle Ergebnis einer Gen-Manipulation. Mit einer gezielten Dosierung Fachinformationen füttert Suter den Leser mit exakt genau so vielen Informationen über die modernen Möglichkeiten der Gen-Technik, dass man geneigt ist, die Romanhandlung weniger als Science-Fiction denn als gut recherchierten Gegenwartsroman abzutun. Denn wer möchte ausschließen, dass in China nicht zur Stunde ähnliche Experimente durchgeführt werden? Sabu ist nämlich das Produkt der Genmanipulation des zwielichtigen Forschers Roux, der der Welt eigentlich einen ausgewachsenen - aber pink leuchtenden - Elefanten präsentieren wollte, um Ruhm, Ehre und den Nobelpreis einzuheimsen. Er lässt sich von Harris, einem Tierarzt der zu Beginn von "Elefant" seinen Auftritt hat und auf einmal auf Nimmerwiedersehen aus dem Roman verschwindet, eine Elefanteneizelle in die Schweiz liefern. In einem heruntergewirtschafteten Zirkus soll die manipulierte Eizelle ausgetragen werden. Doch der Elefantenpfleger Kaung, der den pinken Elefant mit Zwergwuchs für ein göttliches Wunder hält, vertuscht die Geburt und bringt das kleine Tier vor Roux und dem chinesischen Gen-Konzern in Sicherheit. Natürlich wird aus der Gen-kritischen stark moralisierten Geschichte anschließend ein Krimi und später, so viel sei ebenfalls verraten, auch noch eine kleine Liebesgeschichte. Es werden also sämtliche Bedürfnisse des nicht allzu anspruchsvollen Lesers erfüllt.
Das Problem des Romans: Er ist allzu glatt. Die Bösen Schergen der Gen-Konzerne sind alle super-böse, haben ganz, ganz fiese Charaktere und sehen auch noch gemein aus. Die Guten, zu ihnen gehören der brave Elefantenpfleger und die Tierärzte, sind so lieb, dass die Empörung steigt, als einer der Guten sogar sterben muss. Der Obdachlose Schoch ist natürlich aus widrigen Umständen und aus eigenem Entschluss obdachlos geworden und zuvor war er ein supertoller Mensch. Und letztendlich der mega-niedliche kleine rosa Elefant. Immer wieder versucht Suter passagenweise den Elefant als Wesen aus Fleisch und Blut zu beschreiben, als richtigen Elefant - wenn auch im Westentaschenformat. Das Problem ist zwar: Suter behauptet dies immer wieder und sagt, Sabu sei ein Elefant, der sich auch wie ein großer Elefant fühle. Aber es kommt nicht wirklich rüber. Im Kopf bleibt ein Mini-Spielzeug zurück, das sich bewegen kann und ab und an kleine braune Kügelchen produziert. Also genau das stereotype Wesen, das der böse Gen-Konzern produzieren wollte.
Martin Suter hat mit "Elefant" ein klares Statement gegen die Gen-Technik abgegeben. Allerdings hätte es dem Roman gut getan, wenn auch die Grauzonen der technischen Entwicklungen besser ausgeleuchtet worden wären. So blieben für mich die interessantesten Passagen die Beschreibungen des Zürcher Obdachlosenmilieus. Wobei ich bezweifle, dass er typische Obdachlose einst ein superreicher Banker war, der wegen Liebeskummers in der Gosse gelandet ist... 
Unterhalten hat mich das Buch dennoch. Wenn auch nicht literarisch überzeugt. Wer kennt denn die "guten" Suter-Bücher? Würde mich über Eure Empfehlungen freuen!

Mehr Bücher:
Joachim Meyerhoff: Diese entsetzliche Lücke Hier klicken
Die Bücher in Wolfgang Herrndorfs Arbeit und Struktur Hier klicken

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen