Dienstag, 7. Februar 2017

Leben und Laufen am Fluß

Die Ache nach den Bauten zum Hochwasserschutz
Wenn ich einmal gehen werde, werde ich sagen können, dass mein Leben im Fluss war. Oder am Fluss war. 
Mein Geschenk war das Wasser. Ich wuchs am Wasser auf und suchte den Rest meines Lebens in allen Orten, in denen ich lebte, in allen Städten, die ich besuchte, stets das Wasser.
Einundzwanzig Jahre meines Lebens erwachte ich mit dem Plätschern des Baches, der Ache in Kirchanschöring. Ich war barfuß, in Sandalen, in Gummistiefeln den Bach hinauf und hinab gewatet, habe im Wasser gebadet und bin am Ufer in einer Hängematte gelegen und habe nachgedacht.
Der Bach war stets da wie eine Selbstverständlichkeit und Wasser ist nicht nur Leben, Wasser ist, ganz subjektiv, mein Leben.
Spokane River Falls
Das Leben ist im Fluss und Kinder wachsen, werden zu erwachsenen jungen Menschen. Meine Volljährigkeit erlebte ich nicht mehr im beschützten Zuhause am Bach. Als Suchender zog es mich in die Welt hinaus und lebte ein erstes Mal in einer Siedlung die größer war als die Nachbarstadt. Allerdings wohnte ich nicht mehr am Bach. Der Fluss, das Wasser, war kilometerweit entfernt. Der Fluss hieß wie die Stadt in der ich lebte: Spokane. Mit der Schneeschmelze verwandelte sich der Spokane River in ein reißendes Gewässer und die Spokane River Falls boten ein so spektakuläres Schauspiel, dass wir mit der Schulklasse hinunter zum Fluss spazierten. Spokane blieb die einzige Stadt meines Lebens, in der ich nicht regelmäßig das Gewässer aufsuchte.
Am Rhein bei Mannheim
Nach der Zwischenzeit zurück am Bach lebte ich ein Jahr lang in einem Ort, dem gleich zwei Gewässer seinen Namen gaben: Prien am Chiemsee. Durch das Priental wanderte ich mit Schulklassen und brachte den Kindern die Natur näher. Zum Chiemsee lief oder spazierte ich fast jeden Tag. Ich las dort, ich schrieb dort. Ich arbeitete an einem Umweltstudienplatz, dessen Lehren sich rund um das Wasser drehten. Seit meiner Zeit dort brauche ich ein Gewässer, um Sport zu treiben. Es gibt Läufer, die nur am Wasser entlang laufen können. Ich bin einer von ihnen.
Mit den Aufgaben wuchsen die Orte und mit den Orten die Flüsse. Schließlich joggte ich regelmäßig den Rhein entlang. Der größte der
Neckar in Heidelberg
heimischen Flüsse wurde mir zum Denkanstoß und zur Muse zugleich. Ich lernte dort auf meiner Bank, schrieb und vor allem las ich dort. Am Ufer wurde gefeiert und die Nächte am Rhein waren für die Ewigkeit. Wer einmal in diesem Fluss geschwommen ist, den lässt er nicht mehr los.
Den zweiten Fluss der Mannheim durchzog, den Neckar, erwanderte ich meistens im Nachbarort. In Heidelberg. Stundenlang spazierte ich am Neckarufer und tausend Sehnsüchte vergangener Zeit spiegelten sich in seinem Wasser. 
Auch die größten Jahre im Leben eines jungen Menschen haben einst ein Ende und die Stadt wurde wieder kleiner und der Fluss schmaler. Rosenheim ist bekannt für den Inn. Mein Fluss aber war die Mangfall. Es gibt wenig schönere Orte, als die Mangfall im Sommer stromaufwärts zu laufen. So fremd mir die Stadt blieb, so sehr habe ich das Ufer der Mangfall geliebt.

Mangfall in Rosenheim
Schließlich die Heimkehr in die Stadt, in der ich geborgen wurde. Der Fluss hier heißt Traun und mein Weg führte mich entweder am Traunstein vorbei Richtung Haslacher Mühle. Oder in entgegensetzter Richtung zum Klobenstein. Hier gingen viele große Köpfe vor mir spazieren. Ludwig Thoma, Thomas Bernhard, Josef Ratzinger. Ich hätte sie alle überholt…
Spaziergänge an folgenden Flüssen sind übrigens in mein Buch "Sterne sieht man nur bei Nacht" geflossen: Traun, Pegnitz, Seine... Mehr dazu hier: 


Entlang der Traun zu den Felsen:

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