Sonntag, 19. Februar 2017

Falco – Wie der Wiener Superstar bis heute inspiriert

Die Kunst Falcos wirkt bis heute nach


Im Februar '98 beim Müller gekauft
Hans Hölzl, besser bekannt unter seinem Künstlernahmen Falco, wäre heute sechzig Jahre alt geworden. Beinahe zwanzig Jahre ist sein Tod her und es ist kaum zu fassen, wie sehr die Kunst dieses großen Musikers bis heute nachwirkt. Selbst für die Generation, die den Höhepunkt Falcos Karriere nur als Kindergartenkind erlebt hat. 
Falco, das war der Typ im Mozart-Kostüm, der im ORF Kinderwurlitzer rauf und runter gespielt wurde. „Rock me Amadeus“ konnte buchstäblich jedes Kind mitsingen. Und den Kommissar sowieso auch. Doch als die Kinder von damals größer wurden und sich für Musik zu interessieren begannen, war Falco nichts weiter als ein Relikt der Achtziger, dessen Songs auf der Fetenhits – NDW zu finden waren. Und es sollte noch schlimmer kommen: Auf dem Höhepunkt der Techno- und Eurodance – Welle hatte dieser Falco auch noch einen kleinen Hit in dem unfassbar schlechten Techno-Kracher „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“. Falco wäre vermutlich für meine Generation ein Phantom geblieben, ein abgestürzter Popstar der zwei Kinderfaschings-Hits gesungen hatte, wenn es nicht diesen tragischen Unfall in der Dominikanischen Republik gegeben hätte. Es gab weniger eine Massentrauer wie 2009 nach dem Tod von Michael Jackson, dafür war es schon zu lange still um Falco gewesen – es war eher eine Art Neugierde, die auch mich in den Plattenladen laufen ließ, um Falcos „Greatest Hits“ zu kaufen. Und so cruiste im Frühling 1998  ein Auto voller Teenager durch die Lande und lautstark wurde „Vienna Calling“ und „Coming Home“ gegrölt. Aber auf der CD war auch ein eher untypisches Falco-Lied, das mich mehr als all die Gassenhauer berührte: „Junge Römer“. Was war das denn? Singt der Latein? Dennoch blieb es „Jeanny“, das ich wochenlang anhörte. Und erstes Mal war Falco eine konkrete Inspiration. Ich schrieb kurze Texte im Stil von „Jeanny“. 
Schließlich wurde, nur drei Wochen nach seinem Tod, „Out oft he Dark“ veröffentlicht. Und es ist wohl nicht untertrieben zu behaupten, dass der Song einschlug wie eine Bombe. Es hatte weniger mit Falcos Tod zu tun, sondern damit, dass es ein wirklich starkes Stück Musik war. Und erst jetzt setzte sich eine feine Trauer fest: Was wäre das für ein Comeback gewesen. 
Aber Falco war tot und er verschwand auch aus meinem Leben wieder. Bis ich zum ersten Mal die Filmographie „Verdammt, wir leben noch“ sah. Es gibt wenige Filme deren Magie einen ganzen Lebensabschnitt prägt. Dieser hier war so einer. Ein erstes Mal lernte ich Hans Hölzl als Mensch und den ewig suchenden, ewig zweifelnden exaltierten Falco als Popstar kennen. Jahrelang ließ mich der Film nicht mehr los. Einen Fasching lang verwandelte ich mich zum Leidwesen meiner Frau sogar in Falco und nahm seine exaltierte Sprache an. In einigen Kurzgeschichten die ich schrieb, tauchte ein Hans auf, der sich wie ein Falco benahm. Bis in die Fingerspitzen inspiriert und begeistert von diesem Künstler, dessen Kunst ich erst jetzt begriff, ließ ich seine Musik auf mich wirken. Der Kinderfaschings-Sänger verwandelte sich in einen ekstatischen Musiker, der in Wiener Avantgarde-Bands gespielt hatte, dessen großes Vorbild David Bowie war und wenig mit dem Retorten-Popstar gemeinsam hatte, für den ich immer hielt. Natürlich zeigte auch der Film deutlich, dass Falco in den Achtziger Jahren in Flammen stand, viel zu schnell verglühte und als Künstler grandios gescheitert war. Aber diese Jahre, seine ersten drei Alben, waren noch größere Meisterwerke als ich es mir je erträumt hätte. Vor allem das „Junge Römer“ - Album haute mich regelrecht um. Beginnend mit dem Videoclip zu „Junge Römer“, der mich mehr berührt hat als alles was ich jemals zuvor auf MTV gesehen hatte. Das ganze Album ein noch heute modern wirkendes funk-lastiges Meisterwerk. Zum Lied für die Ewigkeit entwickelte sich der Titelsong. Noch heute, Jahre später, beginnt es in mir zu kribbeln, sobald es heißt „Der Lorbeerkranz, ein neuer Tanz schwingt Rhythmus in die Hüften der Stadt…“ Unzählige Texte habe ich in diesem Geist verfasst und keine Schreibblockade kommt an gegen dieses Lied, das ich zum inspirierendsten meines Lebens küren möchte.

Und natürlich noch Falcos Debüt, „Einzelhaft“. Fast jeder Titel hätte eine Singleauskopplung werden können. Lieblingssong darauf inzwischen „Zuviel Hitze“. Falcos Kokettieren mit Kokain. Und auf einmal macht selbst „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“ wieder Sinn.
Sechzig Jahre wäre er heute alt geworden. Und längst betrauere ich seinen Tod. Anders als bei Michael Jackson, David Bowie und all den Stars die die letzten Jahre verstorben sind, ist in Falcos Fall zu vermuten, dass da noch ein großes Spätwerk gekommen wäre. So ganz überraschend – out of the dark.

Von Falcos Lyrics inspirierte Kurzgeschichten:



Die Kurzgeschichte "Junge Römer": Hier klicken

Montag, 13. Februar 2017

Erinnerung an Sebastian Straßer, meinem Papa

Ich und mein Papa als er etwa so alt war
wie ich heute
In Erinnerung an den 13.2.2012:

Sebastian Straßer kam 1943, inmitten des Weltkrieges, als drittes von vier Kindern der Eheleute Hans und Rosina Straßer zur Welt. Seine Kindheit war geprägt vom frühen Tod des Vaters, der während einer Haft wegen Aussagen gegen das Hitler – Regime an Tuberkulose erkrankte und an den Folgen verstarb. 
Die Familie verbrachte, auch weil der Vater lange Zeit nicht als Kriegsopfer anerkannt wurde, die Nachkriegsjahre in großer Armut. Trotz dieser Zeit der Entbehrungen, hatten sich diese Kindheitstage auch als Zeit von großem Glück in seine Erinnerung geprägt und Bescheidenheit, Dankbarkeit für das Vorhandene und die Liebe zur Natur wurden zu seinen typischen Wesenszügen.
Später kam die Begeisterung für den Sport hinzu: Für den Fußball, für die Leichtathletik, letztendlich natürlich für das Radlfahren, das er bis zuletzt betrieben hat.
Ihm war ein besonderes Talent zu Eigen, sich das Leben, auch in widrigen Umständen, lebenswert zu gestalten. Zwei Jahre Wehrpflicht nutzte er, um sich als Mulitreiber täglich an der Natur und der Freiheit der Berge zu erfreuen.
Mit seinem Sold ersparte er sich diszipliniert ein Haus, das er an seinen geliebten Bach, der Götzinger Ache, erbaute. Nach seiner Heirat mit Lilli Peschl wurde er Vater von drei Kindern, die er als liebevoller Vater in diesem Haus am Bach großzog.
In seinem ersten Beruf als Schlosser erkannte er rasch, dass er nicht seine Erfüllung war und er begann eine Beamtenlaufbahn bei der Grenzpolizei Laufen, wo er bald als gut gelaunter Grenzer bekannt wurde. Eine Hüfterkrankung machte ihn im Alter von nicht mal 55 Jahren zum Frühpensionär und schenkte ihm viel Zeit für seine Familie und die Radlausflüge in die Natur. 
Das einschneidendste Ereignis, nachdem seine Kinder erwachsen und von zu Hause ausgezogen waren, war allerdings der Tod seiner Frau Lilli, die er in ihrer Krankheit bis zum Ende in Liebe begleitet hatte.
In seinen eigenen letzten Jahren als Witwer schien es, als kehrte er in seiner Lebensweise zurück in seine Kindheit, seine Jugend. Ganz so wie in einem seiner Leitsprüche: „Ihr sollt werden wie die Kinder, denn ihnen gehört das Himmelreich“. 
Er lebte alleine in seinem Haus, ganz einfach und bescheiden. Das was er hatte, verschenkte er, wie selbstverständlich, an Familie und Freunde. 
Er widmete sich leidenschaftlich seinem neuen Hobby, dem Binden von Naturkränzen und nutzte seine ausgedehnten Radtouren zum Sammeln von Materialien. Seine kunstvollen Kreationen spendete er für gute Zwecke oder verschenkte die Kränze an alle, die er mochte und die es ihm zu danken wussten. 
Der Wasti wurde nun zu dem Freigeist, der er immer war, den er aber lange unter den Konventionen der Gemeinschaft unterdrückt hatte. Er lebte so, wie es ihn glücklich machte. 
Er fuhr sonntags mit dem Rad nach Salzburg, lauschte der Musik während der Messe im Dom und stibitzte nachmittags im Schlosspark Klessheim einige Zweige für seine Kränze.
Er liebte die Salzburger Großstadtatmosphäre und war zuletzt Stammkunde in der Bibliothek Salzburg. Nachmittags saß er dann auf einem selbst konstruierten Floß auf der Ache, im Schatten der Bahnunterführung vor Anker liegend und las Fachbücher über Psychologie oder Bibliographien der Persönlichkeiten seiner Jugend.
Der Wasti nannte sich selbst gesellschaftsscheu, mochte keine großen Feiern und dennoch liebte er die Menschen, jeden einzeln für sich und pflegte intensive Freundschaften zu den Menschen, die ihn faszinierten, oder von denen er sich verstanden fühlte.
Natürlich hatte er noch Pläne. Er wollte seine Insel, auf die er so stolz war, zum schönsten Kleinod weit und breit ausbauen, er wollte noch einmal auf Reisen gehen und die kommenden Enkelkinder stundenlang spazieren fahren.
Natürlich ist sein plötzlicher Tod ein großer Verlust und ein Schock für alle, die ihn in seiner exzentrischen Art liebgewonnen hatten.
Aber, wenn wir in unsere Herzen horchen, dann wissen wir, dass der Wasti sein Leben im wahrsten Sinne des Wortes erfüllt hat: Er hat erfüllend gelebt. Er hat die Aufgaben, die ihm Gott stellte, erfüllt.
Er war sich in seinen letzten Momenten bewusst, dass er sich in einer Situation befand, in der es um Leben und Tod ging. Er hinterließ auch beim Krankenhauspersonal einen tiefen Eindruck, als er sich mit seinem letzten Satz bei ihnen bedankte: „Danke für die liebevolle Pflege“, sagte er. Er war ganz ruhig und ohne Angst, als er für eine Notoperation in München vorbereitet wurde. 
Auf dem Weg zum Hubschrauber hörte sein Herz auf zu schlagen. Fast konnte man meinen, es sei sein Wille gewesen, friedlich einzuschlafen. 
Er starb an einem Riss im Herzen. 
So erfüllt sein Leben bis zuletzt war und so schmerzhaft und überraschend uns der Verlust erscheint: Letztendlich hat er sich nun wohl seinen größten Wunsch erfüllt: das Wiedersehen mit seiner geliebten Frau Lilli.

Und hier noch ein Text den ich damals geschrieben habe: http://schreibboheme.blogspot.de/2016/12/die-toten-auf-dem-rucksitz-1-pfeil-und.html

Dienstag, 7. Februar 2017

Leben und Laufen am Fluß

Die Ache nach den Bauten zum Hochwasserschutz
Wenn ich einmal gehen werde, werde ich sagen können, dass mein Leben im Fluss war. Oder am Fluss war. 
Mein Geschenk war das Wasser. Ich wuchs am Wasser auf und suchte den Rest meines Lebens in allen Orten, in denen ich lebte, in allen Städten, die ich besuchte, stets das Wasser.
Einundzwanzig Jahre meines Lebens erwachte ich mit dem Plätschern des Baches, der Ache in Kirchanschöring. Ich war barfuß, in Sandalen, in Gummistiefeln den Bach hinauf und hinab gewatet, habe im Wasser gebadet und bin am Ufer in einer Hängematte gelegen und habe nachgedacht.
Der Bach war stets da wie eine Selbstverständlichkeit und Wasser ist nicht nur Leben, Wasser ist, ganz subjektiv, mein Leben.
Spokane River Falls
Das Leben ist im Fluss und Kinder wachsen, werden zu erwachsenen jungen Menschen. Meine Volljährigkeit erlebte ich nicht mehr im beschützten Zuhause am Bach. Als Suchender zog es mich in die Welt hinaus und lebte ein erstes Mal in einer Siedlung die größer war als die Nachbarstadt. Allerdings wohnte ich nicht mehr am Bach. Der Fluss, das Wasser, war kilometerweit entfernt. Der Fluss hieß wie die Stadt in der ich lebte: Spokane. Mit der Schneeschmelze verwandelte sich der Spokane River in ein reißendes Gewässer und die Spokane River Falls boten ein so spektakuläres Schauspiel, dass wir mit der Schulklasse hinunter zum Fluss spazierten. Spokane blieb die einzige Stadt meines Lebens, in der ich nicht regelmäßig das Gewässer aufsuchte.
Am Rhein bei Mannheim
Nach der Zwischenzeit zurück am Bach lebte ich ein Jahr lang in einem Ort, dem gleich zwei Gewässer seinen Namen gaben: Prien am Chiemsee. Durch das Priental wanderte ich mit Schulklassen und brachte den Kindern die Natur näher. Zum Chiemsee lief oder spazierte ich fast jeden Tag. Ich las dort, ich schrieb dort. Ich arbeitete an einem Umweltstudienplatz, dessen Lehren sich rund um das Wasser drehten. Seit meiner Zeit dort brauche ich ein Gewässer, um Sport zu treiben. Es gibt Läufer, die nur am Wasser entlang laufen können. Ich bin einer von ihnen.
Mit den Aufgaben wuchsen die Orte und mit den Orten die Flüsse. Schließlich joggte ich regelmäßig den Rhein entlang. Der größte der
Neckar in Heidelberg
heimischen Flüsse wurde mir zum Denkanstoß und zur Muse zugleich. Ich lernte dort auf meiner Bank, schrieb und vor allem las ich dort. Am Ufer wurde gefeiert und die Nächte am Rhein waren für die Ewigkeit. Wer einmal in diesem Fluss geschwommen ist, den lässt er nicht mehr los.
Den zweiten Fluss der Mannheim durchzog, den Neckar, erwanderte ich meistens im Nachbarort. In Heidelberg. Stundenlang spazierte ich am Neckarufer und tausend Sehnsüchte vergangener Zeit spiegelten sich in seinem Wasser. 
Auch die größten Jahre im Leben eines jungen Menschen haben einst ein Ende und die Stadt wurde wieder kleiner und der Fluss schmaler. Rosenheim ist bekannt für den Inn. Mein Fluss aber war die Mangfall. Es gibt wenig schönere Orte, als die Mangfall im Sommer stromaufwärts zu laufen. So fremd mir die Stadt blieb, so sehr habe ich das Ufer der Mangfall geliebt.

Mangfall in Rosenheim
Schließlich die Heimkehr in die Stadt, in der ich geborgen wurde. Der Fluss hier heißt Traun und mein Weg führte mich entweder am Traunstein vorbei Richtung Haslacher Mühle. Oder in entgegensetzter Richtung zum Klobenstein. Hier gingen viele große Köpfe vor mir spazieren. Ludwig Thoma, Thomas Bernhard, Josef Ratzinger. Ich hätte sie alle überholt…
Spaziergänge an folgenden Flüssen sind übrigens in mein Buch "Sterne sieht man nur bei Nacht" geflossen: Traun, Pegnitz, Seine... Mehr dazu hier: 


Entlang der Traun zu den Felsen: