Sonntag, 31. Dezember 2017

Inspirationsquellen die mir total den Stecker ziehen

Von Stephen King bis Wanda

Die ewige Frage nach dem Huhn und dem Ei: War eine Zeit inspirierend, weil man die richtige Musik, das richtige Buch dazu hatte? Oder wurde das Buch, der Song zur Inspiration, weil man es genau zur richtigen Zeit in die Finger bekommen hat? 
Egal ob Buch oder Musik: Es gibt einige Künstler die mich nicht nur für ein, zwei Wochen geflasht haben, sondern für komplette Lebensaschnitte. Ihre Texte sind in meine Geschichten eingeflossen. War es ganz schlimm, habe ich mich im Fasching als die Person, die mich inspirierte, verkleidet und wochenlang geredet wie sie. Meine Frau kann ein Lied davon singen. (Kein inspirierendes)
Meistens sind in jeder Phase ganz passable Texte rausgekommen. Immer jedoch legendäre Zeiten, die ich immer mit der jeweiligen Person verbinden werde.
Aber mal ganz von vorne: Der erste Künstler der zumindest ein kleines Licht in mir anknipste, war Stephen King. Gelesen habe ich Christine, Es und The Stand. Es reichte, um mich für das große Erzählen zu begeistern. Die auserlesene Gruppe die "Der Finstermann" gelesen hat, kann unschwer meine Inspirationsquelle nachvollziehen.
Danach folgten, so viel schonungslose Ehrlichkeit muss sein, "Die Springer". Naja, ich war jung und brauchte die Inspiration. Zwei, drei Alben lang haben mich die Texte der Band begleitet und viele Zitate und Erlebnisse sind in die damaligen Geschichten eingeflossen. Was für'n Lejben!
Danach war eine Weile Schluss mit Schreiben. Bis ich im Kino "Die fetten Jahre sind vorbei" gesehen habe. Eine gelbe Wunderkerze der Inspiration knallte in meinem Kopf und monatelang beschäftigte ich mich mit Daniel Brühl und alles was mit dem Jahrhundertsong "Hallelujah" zu tun hatte. Damals entstanden die "Rote Mühle" und "Die Verführung der Bathseba". 
Alles was mit RAF und den 68er zu tun hatte, inspirierte mich. In der Folge ging es weiter mit dem Uschi-Obermaier-Film "Das wilde Leben" bei dem ich Film und Buch verschlungen habe. Diese Phase wurde gepaart mit einer "Klassik-Phase". Ich stand auf alles was auch nur irgendwie mit Goethe und Schiller zu tun hatte. Reisen nach Ludwigsburg, Marbach und Weimar taten ihr übriges. Nicht ganz ideal entstand in dieser Zeit der schräge Roman "Reise ans Ende der Romantik": Eine Mischung aus 68er (1848er) Nostalgie und geschrieben in allerschwülstigstem Pseudo Altdeutsch. Mit dem Manuskript rannte ich bei den Verlagen offene Türen ein, wie Ihr Euch denken könnt. Wer den Roman dennoch lesen will und es bis zum Ende schafft, bekommt beim nächsten Bierzelt eine Maß von mir hingestellt!
Aber auch ein Klassiker kam zu der Zeit heraus: "Glamourous Indie Rock'n Roll Girl" war das Gedankenspiel, was passiert wäre, wenn Friedrich Schiller und Uschi Obermaier in einer WG zusammengewohnt hätten. Die Erzählung wurde eine erste Charakterstudie für die später folgenden "Kleinstadtrebellen", meinem ersten Roman.
Nach dem Erscheinen von "Verdammt, wir leben noch", schlitterte ich in eine zwei Jahre andauernde Falco-Phase. Vor allem der Song "Junge Römer" öffnete einen unfassbar tiefen Brunnen der Inspiration, der unerschöpflich schien. Mehrere Kurzgeschichten entstanden und vielleicht wird mein nächster Roman, sollte er jemals fertig werden, ebenfalls im Falco-Universum spielen. 
Nach Falco krachte der Zauberberg in mein Leben. Ein Buch das mich nachhaltig faszinierte. Da ich zeitgleich an "Sterne sieht man nur bei Nacht" schrieb, flossen zahllose Elemente aus dem Zauberberg auch in mein Buch ein. Zur selben Zeit entdeckte ich einen jungen österreichischen Autor der mich mit seinen Büchern aber auch mit seinem Privatleben in seinen Bann zog: Thomas Glavinic. Sein "Das größere Wunder" und die folgenden Jonas-Bücher erschlossen mir eine völlig neue Art der Literatur. 

Neben Thomas Glavinic gab es einen weiteren deutschsprachigen Autor der mir den Stecker zog: Wolfgang Herrndorf.   Erst recht, als er sich das Leben nahm und ein Jahr später mein Schwager an derselben Krebsart erkrankte, die auch für Herrndorf das Todesurteil bedeutete: Einem Glioblastom. Herrndorf und sein Blog "Arbeit und Struktur" waren für mich eng verbunden mit dem Prinzip des "Am Abgrund schreiben" Es ging also um Texte die nicht entstanden, weil man gerade Bock auf Schreiben hatte, sondern um Schreiben als existentielles Werkzeug, um zu überleben.
Das klingt jetzt arg pathetisch, aber so hat es sich die zwei Jahre, die ich mich mit Herrndorf und Glioblastomen herumschlagen musste, angefühlt.
Zu guter Letzt ist noch die Wien-Phase Teil 2 zu erwähnen. Neben Falco gibt es da noch die wunderbare Band Wanda die es sehr gut versteht, die Filmmusik zum jeweiligen Lebensabschnitt zu schreiben. Ein bisserl morbid, stets leidenschaftlich und sehnsüchtig. Und ja, auch in den Sternen kann der aufmerksame Leser jede Menge Wanda herauslesen. 
Viel Spaß beim Rätseln!

Dienstag, 26. Dezember 2017

Der Jahresrückblick 2017

Die Highlights 2017 auf Chiemgauseiten und Lesenszeichen

Der Stift den ich im Büro geklaut habe,
den mir dann Takis Würger geklaut hat
Vom Geisterexperten im Radio bis zum Szenekneipenflaneur in Berlin - mein traditioneller Rechenschaftsbericht an meine Leser: 
Anfang des Jahres ging es recht beschaulich los. Es gab kein Buch zu promoten oder fertigzustellen. Dennoch fuhr ich wieder nach Leipzig zur Buchmesse. Und hatte diesmal meine Kinder dabei. Ein Riesenspass, sag ich Euch! Und wer mich kennt der spürt die Ironie zwischen den Lettern vibrieren. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass meine Kinder Martin Suter nicht mögen und Takis Würger, der Autor des fantastischen Romans "Der Club" ein super Kerl ist. Und unter Tausenden Messebesucher ausgerechnet meinem Literatur-Lehrmeister Arwed Vogel über den Weg zu laufen war natürlich das größte Highlight.
Da 2017 ein herrlich ambitionsloses Autorenjahr war, freute ich mich über Spontantreffen wie mit Fabian Bader in Würzburg beim Brückenschoppen und möchte an die bald legendäre Schreibbohéme erinnern, die auf Leser und Bohemien wartet. 
Carlos Ruiz Zafon schreibt nicht nur viele Bücher,
er unterschreibt sie auch noch alle.
Im Frühjahr standen Lesungen der Autorenkollegen im Mittelpunkt. In München lauschte ich Carlos Ruiz Zafon und Karl Ove Knausgard beim Vortrag aus ihren Werken. 
Erst im Sommer ging es wieder Schlag auf Schlag. Erst fand die Schreibwerkstatt auf der Rabenmoosalm statt. Dort dozierte ich über Allegorien in Thomas Manns Tod in Venedig. Wer sich danach nicht verzweifelt die Felsen hinunterstürzte, konnte noch den ungemein inspirierenden Austausch am Lagerfeuer mit den Autorenkollegen Meike K. Fehrmann, Michael Inneberger, Martin Trautwein und Armena Kühne genießen. Die Schreibalm war erneut eines der Jahreshighlights. Die darauf folgende Lesung im Nuts "Wie Literatur entsteht" war ebenfalls episch. Jedenfalls von der Länge her. Meinem bis dato mitreissendsten Bühnenvortrag hörten ganze 8 Gäste und eine Handvoll Chiemgau-Autoren zu. So bleiben die Chiemgauer Kulturtage vor allem für eine spannende Podiumsdiskussion in Erinnerung. Ach ja, in der Theaterstrickerei wurde Ronja von Rönnes Theaterstück aufgeführt und der Star war persönlich zugegen und las launisch und lustig aus ihrem Buch "Heute ist leider schlecht - Beschwerden ans Leben".
Meine einzige Solo-Lesung gab ich in Ingemar Maiers Kleidungsladen. Die dargebotenen Kapitel aus "Sterne sieht man nur bei Nacht" und aus dem Elterntagebuch wurden live auf Radio-Festung übertragen. Allerdings nicht in die Festung. Denn Udo schaltete das Gelaber kurzerhand ab. Anschließend gab es noch eine im Netz ausgetragene Debatte, ob dieser Bernhard Straßer tatsächlich der zweitbeste Schriftsteller Traunsteins sei. Zu meiner Enttäuschung ging die Debatte nicht darüber, ob er gar Traunsteins bester sei...
Überschattet war das Jahr aber von einer handfesten Schreibkrise, ausgelöst von den Kollegen der Schreibboheme. Allen voran Matthias Tonon, der wieder sagenhafte Texte vorlegte und folglich die Shortlist-Ränge bei Wortlaut und Open Mike besetzte. 
Den Medien war es Wurscht. An Halloween fragte Antenne Bayern an, ob sie mich über den Finstermann interviewen dürften. Ja mei, es gibt andere Themen zu denen ich lieber Stellung bezogen hätte, aber was soll man machen? Antenne Bayern ruft halt nicht jeden Tag an. So wurde ich Radiostar und Geisterexperte für einen Tag. Mein Kollege der an dem Tag zu Hause tapezierte, erzählte leicht genervt: "Bernie, ich hab dich sechs Mal im Radio gehört!" 
So ging es auch weiter als Andreas Auer vom Ladenbergen bei Achim Bogdahns "1 zu 1 Der Talk" eingeladen wurde. Da meinte ich, mich verhört zu haben, als sie plötzlich über den Popliteratur Autor Bernhard Straßer sprachen! 
Und dann wurden noch die großen Projekte 2018 vorbereitet: Eine Leseweisung bei der straffällige Jugendliche zusammen mit Meike K. Fehrmann und mir das Buch "Auerhaus" lesen. Wäre das Projekt nicht schon aufregend genug, meldet sich auf einmal Bov Bjerg, der Autor des tollen Romanes und bietet seine Unterstützung an. Eine Woche später kommt ein Paket vom Aufbau Verlag samt mehreren Exemplaren vom Auerhaus.
Da waren es schon 3
Gegen Ende des Jahres wurde letztendlich Buch Nummer drei veröffentlicht: Das Elterntagebuch - Die ersten Jahre! Erhältlich ab sofort auf Amazon und bei mir.
Im November durfte ich endlich die #chiemgaublogger kennenlernen. Ja, es gibt sie wirklich, die Blogger im Chiemgau!
Nicht zu vergessen ein verrauchter Abend in einer Berliner Kneipe. Ich meine mich zu entsinnen mit Tilman Rammstedt diskutiert zu haben. Dann war da noch ein Selfie mit Ronja von Rönne das wir Cornelius Reiber geschickt haben. Gibt es das Foto noch? War ich wirklich dabei? Falls ja, schickt es mir bitte! Ich weiß, Ihr lest das!
Aber sonst? Sonst war es 2017 ganz schön langweilig. 

Freitag, 24. November 2017

Den Rucksack packen für die Arbeitswelt 4.0

Warum Schreiben und Lesen eine wichtige Rolle in der Arbeit der Zukunft spielen

Literarisches Lesen & Schreiben könnte eine gute
Vorbereitung auf die Arbeitswelt 4.0 sein!
Seit einigen Monaten geistern die Schlagworte „Digitalisierung 4.0“, „Industrialisierung 4.0“ oder zusammengefasst, „Arbeitswelt 4.0“ durch Medien und Politik. Gemeinsam kündigen sie eine umwälzende Veränderung in unserer (Arbeits)Welt an, die jeden einzelnen von uns erfassen wird: 
Die sich immer rascher entwickelnde Digitalisierung wird Industrie und Arbeiten in naher Zukunft massiv wandeln. Nur wie die künftige Arbeitswelt genau aussehen wird und wie man heute Schüler/innen und Arbeitnehmer/innen darauf vorbereiten kann – das weiß noch niemand.
Schulen und Bildungsträger grübeln seitdem, mit welchen Rucksäcken man die zukünftigen Experten für Robotik, 3D-Druck oder Programmierung  für die Reise in die Zukunft ausstatten soll. Die vhs Traunreut beispielsweise bietet in zahlreichen, der „MakerSpace“ Bewegung angelehnten Kursen einen spielerischen Zugang zu den Techniken der Zukunft: Dort haben Jugendliche die Möglichkeit, mit Minecraft zu programmieren oder das Microcontrollerboard ARDUINO auszuprobieren. 
Auch die Schulen beschäftigen sich mit der Frage, auf welche Fächer zukünftig ein Fokus gelegt werden soll wenn immer mehr Tätigkeiten künftig von intelligenten Maschinen übernommen werden. Denn: 70% der Tätigkeiten sind bereits durch Computer ersetzbar. Denkt man andersherum, ist die Frage zu stellen: Was hat der Mensch der Maschine noch voraus? 
Es sieht aktuell danach aus, dass künftig weniger Qualifizierung und Fachwissen gefragt sind – so ziemlich alles lässt sich im Internet nachschlagen – sondern Kompetenzen an Wert gewinnen: Problemlösungskompetenzen, soziale Intelligenz oder: Kreative Intelligenz! 
Verbunden mit den Grundkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen könnte künftig also ein Bereich an Wertigkeit gewinnen, der auf den ersten Blick verstaubt und veraltet anmutet: Neben Mathematik- und Programmieren könnten Schüler/innen auf die Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 vorbereitet werden, indem sie literarisches Lesen und Schreiben lernen
Literarisches Lesen fördert nicht nur die Kulturtechnik Lesen, sondern hilft Zusammenhänge zu verstehen, Informationen zu filtern, querzudenken und zwischen den Zeilen zu lesen. Wer im zweiten Schritt sich mit literarischem Schreiben beschäftigt, fördert seine Kreativität und aktiviert seine Problemlösungskompetenz. Der Rucksack für die Arbeitswelt 4.0 wäre also gut gepackt für die Herausforderungen der Zukunft.
Ob sich die Schulen dieser zugegeben ungewöhnlichen Vorbereitung auf die Digitalisierung 4.0 einlassen und ihre Schüler ebenso Literatur wie HTML lehren bleibt noch offen. Man kann also gespannt sein, ob der Trend zukünftig mehr in Richtung Programmieren gehen wird, oder ob die klassischen Kulturkompetenzen wie Lesen und Schreiben ihr früheres Gewicht zurückerlangen. 

Freitag, 17. November 2017

Da sind sie, die Chiemgau-Blogger

Wo sind die Blogger im Chiemgau???

Immer bei der Arbeit: Die Chiemgauer Blogger/innen
Diese Frage stellte ich vor einer Weile und lange Zeit blieb es still in den Weiten des Internets. Doch inzwischen haben sie sich bemerkbar gemacht: Stefanie Dehler, Bloggerin vom Gipfelglück, hat eine kleine aber feine Runde von Bloggern aus und über den Chiemgau zusammengetrommelt und die ersten Treffen organisiert. Beim letzten war ich dabei und lernte eine völlig neue Welt kennen:
Im Gegensatz zu meinen Chiemgau-Autoren steht bei den "echten" Bloggern nämlich nicht nur das geschriebene Wort im Mittelpunkt, sondern auch das Key-Word, das Foto zum Geschriebenen und natürlich die mediale Vermarktung von Bild und Text. 
Und so dauerte es nicht lange, bis die illustre Runde in der Gaststube des Sailer Keller - nachdem sich jeder vorgestellt hatte - die Smartphones gezückt hatte und munter jeden der anderen auf Facebook, Instagram oder Twitter folgte sowie live vom Treffen bloggte. Der ehemalige Weinblogger trank Bier, die Eltern-Bloggerin musste nach Hause, den Babysitter ablösen, die Strick-Bloggerin begann zu stricken. Es war herrlich und genau so wie man sich ein Bloggertreffen immer vorgestellt hatte.
Schon 1924 trafen sich die Chiemgauer Blogger hier im
Sailer Keller
Und breit aufgestellt sind sie, die Chiemgau-Blogger: Egal ob über Bergsteigen, Kultur, Kinder, Stricken, Literatur, Wandern - da war für jeden etwas dabei. Wer mal reinklicken möchte, wer sich inzwischen in der Chiemgauer Blogger-Szene so tummelt, dem sei diese Auflistung empfohlen!
Völlig neu war mir, wie gut auch die im Chiemgau lebenden Blogger/innen vernetzt sind. Da gibt es Netzwerke wie die "Iron Blogger" oder "Blog and Burger" sowie das Salzburger treffen "Salt and the city". So war es für mich ein Gefühl wie wenn man aus dem tiefsten Nebel des Chiemseeufers Richtung Hochfelln hinaufsteigt und auf einmal eine Ahnung bekommt, was in Sachen Bloggen allgemein und Bloggen im Chiemgau alles möglich ist.
Schön war es auf alle Fälle und ich hoffe auf eine baldige Wiederholung!

Hier noch der Link zu meinem Papablog:
Das Elterntagebuch 

PS: Schönen Gruß an dieser Stelle - falls sie es liest - an einen der besten im Chiemgau entstandenen Blogs, ans Sudelheft : )

Dienstag, 31. Oktober 2017

Unser Buchclub liest: Sven Regener - Wiener Strasse

Sven Regener - Wiener Straße


Unser Buchclub Traunstein hat sich nach einem Jahr Planung  und einem halben Dutzend nie
besprochener Bücher tatsächlich ein erstes Mal getroffen.
Traunstein, das ist literarische Provinz. Während zeitgleich im Studio 16 die Chiemgau-Autoren e.V. gegen dieses Klischee anzustinken versuchten, brannte im Salon in der Steffgenstrasse der Buchclub Traunstein ein Tischfeuerwerk der heiteren Intellektualität ab. Zumindest in der Theorie. Denn einerseits war das Essen sehr gut und andererseits sabotieren zwei Kinder und ein Hund mit Verve die Entwicklung germanistischer Jahresbestleistungen. 
Egal, nach einigen Gläsern Wein traute sich die illlustre Gruppe, eine Runde "Mimikry - Das Spiel des Lesens" zu zelebrieren. Teilnehmer waren die internationale Süsswassermuschel-Koryphäe Dr. Stöckl, ihr Fiancee Karl, bekannt aus Buchbranche und Verlagswesen. Sowie Traunsteins ehemals zweitbester Schriftsteller,  der zusammen mit seiner Gattin Nicole die Gastgeberrolle innehatte.
Man war sich einig, dass das Buch von Beginn an fürchterlich auf die Nerven geht. Dies allerdings
ein Kompliment an den Autor darstellt. Denn das müsse man erst einmal schaffen, die Personenkonstellationen so aufeinanderprallen zu lassen, dass man nach drei Seiten jeden einzelnen für einen kompletten Vollidioten hält. Regener-Experte Karl, der als einziger alle vorherigen vier Bände des Frank-Lehmann Epos gelesen hatte, lobte gar, auch Wiener Strasse sei exakt so wie sich ein Fan dies wünschte.
Da der Rest erst zwischen 5 und 120 Seiten des Buches gelesen, einer gar das Buch beim Friseur vergessen und die anderen Mitglieder des Buchclubs aus terminlichen Verhinderungen rechtzeitig abgesagt hatten, verständigte man sich, nicht ÜBER das Buch zu reden, sondern das Buch zu SEIN.
Denn das ist die Aufgabe im Spiel Mimikry - erfunden im Umfeld von Holm Friebe, Philipp Albers und Wolfgang Herrndorf: Ähnlich wie im Spiel Nobodys Perfect muss jeder Teilnehmer den Anfang eines ausgewählten Romanes erfinden. Gewonnen hat, wer die meisten Mitspieler davon überzeugt, sein Romananfang sei der wahre bzw. wer den richtigen errät.
Vorgegeben ist nur der erste Satz. Im Falle von Wiener Strasse war dies: "Die Tür fiel zu und es war zappenduster."
So und jetzt seid Ihr dran: Welcher Romananfang ist der richtige? Macht mit bei

Mimikry - das Spiel des Lesens

Sven Regener: Wiener Strasse

Dr. Stöckl, Bernhard, Nicole

  1. Die Tür fiel zu und es war zappenduster. Jemand hatte die gesamte Wohnung schwarz gestrichen. Schwarz. Ein Schwarz das kein Licht reflektierte. Erwin konnte die Hand vor Augen nicht sehen. Aber er wusste, die Deppen waren alle da: Frank Lehmann, Chrissie seine Nichte und Karl.
  2. Die Tür fiel zu und es war zappenduster. Frank Lehmann versuchte mit beiden Armen, die Wände abtastend, den Lichtschalter in dem völlig schwarzen Raum zu finden, doch als er ihn nach einer Weile fand passierte - erstmal nichts. "Oh Menno, Erwin, das funktioniert ja mal überhaupt nüschd, wie sollen wir hier irgendwann einziehen?", schimpfte P.Immel aus dem Dunkel. "Halt du hier mal eben gleich den Rand, du hast gar nichts zu melden, du Pfosten!", schallerte es aus dem anderen Ende des Raumes zurück.
  3. Die Tür fiel zu und es war  zappenduster. Erwin stellte den Werkzeugkasten ab, den er für die Pfeifen mitgebracht hatte, denn das waren sie, Pfeifen, wie bin ich hier nur rein geraten, fragte er sich schon den ganzen Tag immer wieder rhetorisch, meist in Gedanken, manchmal auch laut, aber weder Karl Schmidt noch Frank Lehmann, der offensichtlich Karl Schmidts Lieblingskumpel war, noch HR und schon gar nicht Chrissie, seine Beknackte Nichte, hatten sich auch nur angesprochen oder sonstwie kompetent gefühlt, mal irgendwas darauf zu antworten
  4. Die Tür fiel zu und es war zappenduster. Was für ein Idiot dieser Vormieter doch war, der alle Räume seiner Wohnung schwarz tapeziert hatte. Das würde noch eine Ewigkeit dauern, bis die Wohnung wieder in einem Zustand ist, bei dem man nicht das Gefühl bekommt, in einem Sarg zu leben. Fraglich war, ob diese Idioten, die sonst nichts auf die Reihe brachten, das hinkriegen würden, dachte Erwin. Es würde doch nur wieder an ihm hängen bleiben.
Gewonnen hat übrigens keiner. Obwohl einer beinahe zum Text 2 tendierte, erwiesen sich alle als Wiener Strasse-Experten und errieten den richtigen Anfang.

Auflösung:

1) Bernhard 2) Dr. Stöckl 3) Sven Regener 4) Nicole

Mehr zum Spiel hier: Mimikry - Das Spiel des Lesens


Montag, 9. Oktober 2017

Meine Crew, meine Schreibschule, mein Autorennetzwerk

Warum ein Schreibnetzwerk für Autoren so wichtig ist

Die Memoiren von Traunsteins
zweitkleinstem Schriftsteller
Vergesst alles, was ihr jemals über Autoren und das Schreiben gehört habt! Schriftsteller sind keine Genies die den ganzen Tag in der finsteren Stube sitzen und Genialitäten aufs Papier bannen. Literaten brauchen Inspiration, brauchen ihre Gang, sie brauchen ihre Autorenkneipe! Kein namhafter Schriftsteller kam ohne seine Autorenbuddies aus. Ziemlich beste Freunde, manchmal Feinde, sie hassten und sie liebten sich. Sie waren gleichermaßen Konkurrenz und Inspiration. Was sie immer taten: Sie wirkten aufeinander ein, beeinflussten sich, bis das Werk des jeweils anderen neue Horizonte überschritt. Goethe chillte mit Schiller. Thomas Mann battlete sich mit seinem Bruder Heinrich. Hemingway feierte mit Scott F. Fitzgerald und der ganzen Pariser Gang. Es gab eine Weimarer Klassik, Heidelberger Romantik, eine Frankfurter Schule. 
Auch ein kleiner Hobbyautor im Chiemgauer Voralpenland, der für kurze Zeit einmal Traunsteins zweitbester Schriftsteller war, träumte davon, einmal Teil einer Autorenclique zu sein. Wenn er sinnierend über den Stadtplatz flanierte, saß er gedanklich in den Wiener Cafés. Dort trank er Schnäpse mit Kehlmann und Glavinic, lästerte mit Marco Michael Wanda über Stefanie Sargnagel und lugte verstohlen zu Vea Kaiser, unbestritten Österreichs zweitschönster Autorin, hinüber.
Dann las er, mindestens einmal zu oft, Herrndorfs Arbeit und Struktur und saß nächtelang mit Holm, Cornelius und Philipp im Prassnik oder spielte Fußball an der Bergstraße. So träumte der kleine Literat tagaus tagein davon, einmal Teil einer Autorenclique zu sein.
Doch mit der Zeit reichte ihm das Träumen nicht mehr. Er wollte wirklich echte Schriftsteller zum Freund haben. Autoren mit denen man über Schreibblockaden jammern und vom großen Opus Magnum fantasieren konnte. Gleichgesinnte, die die Sorgen des Schreibenden teilten und mit denen er legendäre Lesungen veranstaltete und Veröffentlichungserfolge feierte. 
Monat für Monat semperte er in weinseliger Stimmung beim Stammtisch der Chiemgau-Autoren von diesem großen Traum und fragte Michael Inneberger und Meike K. Fehrmann seufzend, ob sie ähnliche Träume hegten. 
Der kleine Literat suchte auch in Schrobenhausen, München und Barliano. Doch weder der Norbert noch der Arwed konnten ihm weiterhelfen. Und eine Gruppe Wildschweine zuckte grunzend die Schultern.
Es musste doch irgendwo in Bayern eine coole Clique spannender Autoren geben die Bock hatten, Abends gemeinsam Fußball zu spielen und danach ins nächste Wein-Beisl zu gehen und, vielleicht nicht gleich zu koksen, aber zumindest über Proust zu diskutieren. 
Dem kleinen Literat kam die Digitalisierung 4.0 entgegen. Auch wenn sie in seiner Heimatstadt noch um die Digitalisierung 1.8 herumdümpelte. Er nutzte sämtliche Social Media Kanäle und schrieb alle wilden Jungautoren an, die er bisher kennengelernt hatte: Den Fabian aus Würzburg, den Matthias aus München, den Ralf aus Passau. Doch auch sie hatten keine Ahnung, wie man eine coole Autorenclique gründen könne. 
Letztens holte er sich in Berlin Rat bei der Ronja, einem Mädel aus seinem Nachbardorf und bei ihrem Freund Tilman. Auch sie konnten ihm nicht dabei weiterhelfen, endlich in Gesellschaft supercooler Autoren Bier zu trinken und über Literatur zu diskutieren. Sie boten ihm mitleidig an, ihm Cornelius, Holm und Philipp vorzustellen. Aber leider hatten sie weder die Handynummer vom Glavinic, noch die Email von der Vea Kaiser. Deprimiert winkte der kleine Literat ab. 
Er würde weitersuchen! Irgendwo musste doch seine Crew, seine Schreibschule, sein Autorennetzwerk auf ihn warten! Spätestens am Montag beim Stammtisch der Chiemgau-Autoren würde er wieder nachfragen, ob nicht jemand einer passenden Literaten-Gang irgendwo begegnet sei. Er würde nicht aufgeben! Nein, er wird nicht aufgeben!

Sonntag, 8. Oktober 2017

Gibt es ein Arbeit und Struktur - Wiki?

Eine Linkliste

Wolfgang Herrndorfs Blog "Arbeit und Struktur" ist auch in Buchform ein eindrucksvoll zu lesendes literarisches Werk. Der Mehrzahl der Leser, die nicht mit der Berliner Literaturszene vertraut sind, werden die vielen aufgeführten Namen, Örtlichkeiten und Querverweise zunächst wenig sagen. In den Internetsuchmaschinen landen demzufolge die Frage nach einem "Arbeit und Struktur Wiki" oder "Wer ist C?" dementsprechend weit oben.
Es ist zu erwarten, dass es eines Tages ein Arbeit und Struktur - Wiki geben wird. Zu wirkmächtig war die Literatur, die der Berliner Autor Herrndorf hinterlassen hat. Zudem ist Arbeit und Struktur eine einzigartige Mischung aus Autobiographie, Krankheitsbericht, Momentaufnahme der Berliner Literaturszene und vieles mehr.
So sinnvoll für die heutigen und späteren Leser ein Arbeit und Struktur - Wiki wäre, es bleibt ein schmaler Grad: Liest sich das Buch für den gewöhnlichen Leser wie ein letztes Zeitzeugnis eines todkranken Schriftstellers, so ist es für die Beteiligten ein noch nicht lange zurückliegender Live-Bericht eines mehr als drei Jahre währenden Dramas. Eines, das mit dem Tod des Freundes und Kollegen endete.
Da die literarische Bedeutung mit den Jahren voraussichtlich weiter steigen wird, stelle ich hier für interessierte Leser eine Linkliste zu wissenswerten Hintergrundinformationen zusammen die helfen könnten, "Arbeit und Struktur" in verständlicheren Kontext zu setzen:

Linkliste zum Thema Arbeit und Struktur


Der Werdegang von Wolfgang Herrndorf vom Maler zum Schriftsteller: Hier klicken

Eine Auswahl der in Arbeit und Struktur aufgeführten Personen: Hier klicken

Die Bücher: Literatur in Arbeit und Struktur: Hier klicken

Wer ist die ZIA? Die ZIA und der Bachmannpreis: Hier klicken

Eine schöne Stelle: Der Ort an dem Herrndorf starb: Hier klicken

Fotoserie zu den Orten in Arbeit und Struktur: Hier klicken

Holm Friebe über Wolfgang Herrndorf: Hier klicken

Die Zentrale Intelligenz Agentur ZIA 2006/2007:


Mittwoch, 4. Oktober 2017

Bekenntnisse des Hochstaplers Bernhard S

Wie ich beinahe Protagonist meines Lieblingsbuches geworden wäre

In Berlin fällt es leichter, der zweitbeste Schriftsteller aus
Traunstein zu sein
Bekenntnis: Nein, ich bin nicht der zweitbeste Schriftsteller Traunsteins. Auch bin ich nicht der in meinen Blogbeiträgen beschriebene  brillante Jungliterat der die Chiemgauer Kulturszene begeistert. Ich habe meine Leser in jedem einzelnen Post betrogen. In Wirklichkeit bin ich ein Plagiator. Jemand der schreiben will wie Glavinic in den "Glavinic"-Romanen und Lottmann in seinen "Lottmann" Tagebüchern. Einer der dabei die großen Namen der Wiener - und Berliner Szene gegen die der Chiemgauer Kultur er- und nebst seinen setzte.
Als Hochstapler enttarnt wurde ich ausgerechnet von jenen Kreisen denen ich meinte, den falschen Titel "Traunsteins zweitbester Schriftsteller" abspenstig machen zu müssen: Dem Milieu der Chiemgauer Krimi-Autoren. Enttarnt haben sie mich als biederen Beamten des gehobenen Dienstes, einen schreibenden Hochstapler mit mangelnden Grammatik- und Rechtschreibkenntnissen, aber vorzüglichem Ego. 
Geschasst von jenen Kulturkreisen zu denen mir mein früherer Lehrer Niemann riet, gegen sie "anzustinken" - in deren wohlige Wärme es mich in Wahrheit magisch hinzog, flüchtete ich an den einzigen Ort an dem ich noch Traunsteins zweitbesten Schriftsteller spielen durfte: Nach Berlin.
Kastanienbäume, Kastanienallee, Prenzlauer Berg. Eine laue Herbstnacht. Verstohlener Blick durch das Schaufenster eines Buchladens wo ein echter Schriftsteller eine Lesung hält und mehr als zehn  Zuhörer im Publikum sitzen. Berlin. Wehmut.
Weiter in die Szenekneipe. Treffen mit Berlin Mittes zweitbester Feuilletonistin und dem zweitbesten aus Bielefeld stammenden Schriftsteller. Sie wissen noch nicht, dass ich gar nicht Traunsteins zweitbester Schriftsteller bin. Oder sie wissen es längst. Auch sie haben Internet. Sie lassen sich nichts anmerken. Diskussion auf Augenhöhe. Gerührt.
Nach den harten Wochen seit meiner Enttarnung und der gemeinen Mail die ich seitdem bekommen habe, Austausch über Shitstorms. Es war bereits mein zweiter. Schon vor drei Jahren hatte ich einmal eine unschöne Mail bekommen.
Gespräch über Literatur. Natürlich. Lottmann sei in der Stadt und auch sein Freund und Wegbegleiter Holm Friebe kehre regelmäßig in diese Kneipe ein. Ich, der Hochstapler werde hellhörig. Weiß sie, dass ich in Wirklichkeit ein gar nicht so höflicher Paparazzo bin, der durch eine Überdosis des Buches "Arbeit und Struktur" dem Wahn erlag, ein guter Freund von Holm, Cornelius und Joachim zu sein? Ist das Treffen etwa als letzter Coup des zweitbesten Schriftstellers Traunsteins geplant, ehe seine nie vorhandene Autorenkarriere wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt? Geht der Hochstapler so weit, die kostbare Zeit der nettesten Shitstorm-Auslöserin Deutschlands und die ihres Freundes zu missbrauchen, nur um einmal in derselben Kneipe wie seine Idole zu sitzen?
Und um Haaresbreite wäre die Utopie des Hochstaplers aufgegangen: Die Feuilletonistin greift zum Handy und lädt kurzerhand Cornelius runter in die Kneipe ein. "Mit wem bist du da?", antwortet er kurz darauf. Wird Cornelius wirklich kommen und dem Pseudo-Literaten eine letzte große Bühne bereiten? "Mit Bernhard S." tippt die Journalistin in ihr Handy. 
Cut.

Donnerstag, 28. 11.2017 22:59
Im Schwarzsauer mit R. und T. Rauchschwaden. Mein drittes Bier und jede Menge Leitungswasser. R. hat Cornelius eingeladen und er antwortet mit einem Zitat aus meinem Blog. Er kommt nicht, aber er hat mich gelesen. Was viel schlimmer ist. Etwas verrutscht. Ein unwirklicher Abend kippt endgültig ins Surreale. An Nächten wie diesen klafft das Universum auf. Ich eine blasse Figur meines Lieblingsbuches. Hilflos begeistert und peinlich berührt von mir selbst. Derjenige der gerade diese Geschichte verfasst sollte sich mehr Mühe beim Skizzieren seiner Hauptfigur machen. Kill your darlings. Ich muss nach Hause. Kastanienallee, Kastanien. Steige in die falsche U-Bahn ein. Träume die ganze Nacht von Lottmann.

Samstag, 9. September 2017

Thomas-Bernhard-Haus in Traunstein wird abgerissen

Es könnte eine Sehenswürdigkeit sein. Jetzt wird es abgerissen

Das Thomas-Bernhard-Haus wird abgerissen.
Das Wohnhaus eines der berühmtesten Bürgers der Stadt wird abgerissen. In anderen Städten gäbe es einen Aufschrei, Diskussionen, Bürgerinitiativen. In Traunstein gibt es einen Artikel in der Lokalzeitung in der sich alle auf das schöne neue Haus freuen und die Sache hat sich erledigt. Bei dem berühmten Bürger handelt es sich zwar um einen der einflussreichsten Schriftsteller und Dramatiker des vergangenen Jahrhunderts. Aber dieser Literat hatte es gewagt, nicht nur über Wien, Salzburg sowie ganz Österreich seine literarischen Wutausbrüche auszuschütten, sondern eben auch über Traunstein. Und dies kann literarisch noch so hochwertig sein, hier in Traunstein geht sowas ja gar nicht. Also: Weg mit dem Haus!
Man stelle sich mal die leicht geänderte Überschrift vor: "Papst-Benedikt-Haus wird abgerissen" - man mag sich gar nicht ausmalen, welche Stadtrats-Sondersitzungen und Lichterketten dies ausgelöst hätte. Klar, einen österreichischen Literatur-Papst kann man nicht mit einem wahrhaftigen emeritierten vergleichen. Aber in Sachen Tourismus kann, seitdem die Reisebusse aus Italien weniger werden, sehr wohl die Frage gestellt werden, ob nicht inzwischen mehr Thomas-Bernhard-Jünger in die Stadt kommen, um  auf den Spuren ihres Idols zu wandern. Es mag den Traunsteinern seltsam erscheinen, aber Thomas Bernhard hat bis heute eine leidenschaftliche Fan-Gemeinde. Wer sich dessen überzeugen will, sollte einmal eine von Willi Schwenkmeiers Thomas-Bernhard-Spaziergängen beiwohnen. Er erfährt auf diesen literarischen Stadtführungen auch, dass hinter Thomas Bernhards Traunstein-Beschimpfungen ein bisschen mehr steckt als eine profane Abrechnung mit der Stadt seiner Kindheit. Und auch, dass Bernhard über das kleine Ettendorf ebenso liebevoll geschrieben hat wie er auf Traunstein schimpfte.
Aber mit der literarischen Wirkung von Bernhards "Ein Kind" haben sich weder der der Redakteur des Traunsteiner Tagblatts noch der Besitzer des Thomas-Bernhard-Hauses eingehender auseinandergesetzt. Tenor im Zeitungsartikel: Das Haus ist nicht denkmalgeschützt, also kann man es auch abreißen. Außerdem, so der Besitzer: "Meine Oma hat ihn als Kind erlebt, als ein ziemlich auffälliges und gestörtes Kind, muss ich dazu sagen". 
Ein "Weltliterat"?
Und dieses gestörte Kind hat dann in seinem Buch über seine Kindheit auch noch geschrieben: "Nichts ist ekelerregender als die Kleinstadt, und genau die Sorte wie Traunstein ist die abscheulichste". Vielleicht sollte man nicht unerwähnt lassen, dass Thomas Bernhard während des Dritten Reiches in Traunstein gelebt hat. 
Unfassbar für Traunstein, dass dieses gestörte Kind als "Mann der Weltliteratur" bis heute so eine enorme Wirkung auf Literaten und Leser ausübt. Man fühlt sich sogar genötigt, das Bronzeschild, das auf Thomas Bernhard hinweist, auch am Neubau wieder anzubringen. "Falls die Stadt das wünscht". 

Ob die Stadt das wünscht? Denn darin scheint man sich in Traunstein einig: "Nichts ist ekelerregender als ein Weltliterat, und genau die Sorte wie Thomas Bernhard ist die abscheulichste!"

Hier: Thomas Bernhards Spaziergang durch Traunstein 

Sonntag, 20. August 2017

Traunsteins zweitbester Schriftsteller las im Kleidungsladen

Home is where the Lesung is
Wenn Traunsteins zweitbester Autor zur Lesung lädt, steht das Who is Who der Literaturszene stets Schlange, um Teil des großartigen Events zu sein. Auch diesmal waren die Superstars aus Literatur und Kunst wie Ronja von Rönne und Elena Muti - Muse Thomas Glavinic' zugegen. Allerdings nicht in persona, sondern nur virtuell in Werk und Bild. Auch die dritt- und viertbesten Autoren des Chiemgau konnten nicht, weil sie im Urlaub waren oder aus Neid auf das Talent des zweitbesten Schriftstellers der Stadt dessen Lesungen grundsätzlich boykottieren. Erkannt wurde im Publikum unter anderem ein heimischer Tumblr-Influencer, die literaturinteressierte 4-monatige Nichte des Schriftstellers und eine Handarbeitskünstlerin die kein Yoga betreibt.
Gehasst, verdammt, vergöttert: Der zweitbeste Schriftsteller Traunsteins
Ein milder Sommerabend in Ingemar Maiers Kleidungsladen.de, dem hipsten Laden der Stadt: Draußen wurde in der Abendsonne Pizza vom Cantuccio gegessen, drinnen übertrug Radio Festung live den Sound von DJ Martino di Leo. Und es gab Gesprächsstoff unter den Szenekennern: Wer ist die Schöne, die auf dem Kleidungsladen-Werbebanner groß behauptet "Home is where the lake is"? Handelt es sich etwa um die Künstlerin Elena Muti - bekannt geworden als die Muse von Thomas Glavinic - zweitbester Schriftsteller im deutschsprachigen Raum? Trotz frappierender Ähnlichkeit blieben Restzweifel - warum sollte eine international bekannte Künstlerin Werbung für den Chiemsee machen?
Über ähnliche Fragen handelte schließlich der erste Text, den der Autor dem Publikum vortrug: "Wie ich dem Chiemgau Ronja von Rönne näherbringen wollte und fast wahnsinnig wurde". Denn auch der in Berlin lebenden Feuilleton-Star (dem fälschlicherweise ebenfalls Nähe zu Glavinic kolportiert wurde) gibt sich ab und an Mühe, urbane Kultur in den Chiemgau zu transportieren. Über das Scheitern derartiger Ansinnen handelte dieser erste Text. 
Diese Bücher verschenkt der Vertriebsstratege auch gern, wenn die Leser
mal wieder kein Geld dabei haben
Was der Autor ebenfalls von der zweitbesten Jungautorin Deutschlands abschaute war, Lesungen unterhaltsam zu gestalten. Mit diesem mutigen Schritt bemüht er sich um eine Emanzipation seiner Chiemgauer Autorenkollegen. Also lud er die Jazzband wieder aus, strich den Lyrik-Part und las einfach nur lustige Blog-Artikel vor. Auch der zweistündige Vortrag "Wie Literatur entsteht" landete zerknüllt in der Tonne neben dem Elena-Muti-Banner. 
Gelacht wurde tatsächlich viel im Publikum. Vor allem über das Aussehen des Autors. Der sah sich gezwungen die Anekdote zum besten zu geben, warum der vormittags noch hipsterbärtige Schriftsteller nun mit einem glatten Babypopo im Gesicht auf der Bühne stand: Er hatte versehentlich den Aufsatz des Barttrimmers abgenommen und sich eine Schneise in den danach nicht mehr ganz so imposanten Holzfällerbart geschnitten. Nach Rettungsversuchen seiner Frau sah er kurz darauf aus wie Lemmy, wenig später hatte er einen Provinzpolizist-Schnauzer, wenig später sah er aus wie Charly Chaplin, er entschloss sich aber aus ästhetischen Gründen auch diesen Rest-Bart wegzurasieren und nass rasiert unter die Menschen zu treten.
Statt aus seinen Romanen las er diesmal überwiegend aus seinen Blogs vor: Während die im Publikum sitzenden Eltern von Kleinkindern über die Anekdoten aus dem "Elterntagebuch" herzlich lachten, weil sie die beschriebene Zeit des Zahnens längst hinter sich hatten, runzelten die schwangeren Damen die Stirn ob der Dinge die ihnen noch bevorstehen. Aber der Autor konnte sie auch rasch beruhigen: "Eine Geburt tut gar nicht sooo weh."
Während es im Kleidungsladen recht lustig zuging, reagierte man am anderen Ende der Stadt im Café Festung, wohin die Lesung live übertragen wurde, konsequent: Dort verfolgte man DJ Martiono di Leos Musik mit Genuss, die Lesung wiederum weckte unter den Szenegängern ambivalente Gefühle. Udo Henning später zum Autor, der eine Stunde lang hoffte, durch die live übertragene Lesung nicht länger nur der zweitberühmteste Autor der Stadt zu sein: "Das Gelaber habe ich dann sofort ausgemacht". 
Der Autor nahm es gelassen. Das Vermarktungsgenie verschenkte noch ebenso viele Bücher wie er verkaufte und stieß nach der Lesung erschöpft aber glücklich mit der zweidimensionalen Elena Muti an in der Hoffnung, eines Tages so tolle Lesungen zu machen wie ihr Ex-Freund Thomas Glavinic. 

Freitag, 18. August 2017

Die Telekom auf der Suche nach dem verschwundenen Handy

Wie ich auf einer Odyssee alle Mitarbeiter des Traunsteiner Telekom-Shops kennenlernte

Das Ersatzgerät, das mir die Telekom zur Verfügung
gestellt hat (links)
Dies ist eine epische Geschichte über die Telekom, Deutschlands größten Dienstleister. Seit 4 Wochen sind alle Mitarbeiter der Telekom, zumindest die der Telekom Traunstein auf der Suche nach meinem Handy - bis heute erfolglos. Eine Saga, die ich Euch auf keinen Fall vorenthalten möchte:
Es begann im Mai, als ich mein defektes Apple-Smartphone reklamieren wollte. Nach nur zwei Tagen hin und her zwischen Telekom und Apple Provider wurde mein Handy eingeschickt - und prompt bekam ich innerhalb einer Woche ein Neugerät. Soweit, so gut - meine persönliche Ilias endete mit der Eroberung Trojas beziehungsweise dem neuen Handy.
Allerdings folgte bei Homer auf den Sieg im trojanischen Krieg eine zehnjährige Odyssee: 
Auch bei mir - leider war auch das Austauschgerät defekt.
Am 19. Juli - vor fast genau 4 Wochen stattete ich der Telekom Traunstein jenen Besuch ab, der mich auf meine Odyssee mit bisher unabsehbarem Ende schickte. Zwar nahm man mein defektes Iphone anstandslos an, allerdings war es der Telekom-Mitarbeiterin nicht möglich, den Vorgang korrekt im System zu verbuchen. Ob es ein Systemfehler war, oder weil es sich um ein Austauschgerät handelte, erschloss sich dem Laien nicht. Die Dame machte sich eifrig Notizen und ich dachte mir nichts, dass ich ohne Beleg den Laden wieder verließ. 
Schön ist es, einige Tage ohne Handy zu sein.
Als ich nach einer Woche nichts mehr von der Telekom gehört hatte, fragte ich vorsichtshalber mal nach. Herr Sch. mühte sich redlich - allerdings war kein Vorgang erfasst. Nachdem die rührigen Mitarbeiter der Telekom Traunstein jeden Winkel nach meinem Handy durchsuchten, fand Herr G. heraus: Der Lieferant hatte das Handy ohne Schein abgeholt - man wisse nicht, wo es sich befindet. Immerhin: Ich erhielt ein Ersatzhandy. Innerhalb von 2 Wochen sei mein Iphone wieder da.
Meine erste Prüfung auf der Odyssee waren wieder nicht die Sirenen, sondern ein Samsung Galaxy Android-Handy. Man hätte mich an einen Mast binden sollen, dann wäre ich gar nicht in die Versuchung gekommen, ein neues Betriebssystem zu erlernen. Seitdem weiß ich, was ich an meinem Iphone habe.
Sehnsüchtig wartete ich jeden Tag auf den Anruf der Telekom. 
Es wurde August. Die zwei Wochen verstrichen, ohne einen Anruf. Die Odyssee ging weiter. Ein Telefonat mit Herrn L. - langsam wurden die Stimmen der Telekom-Mitarbeiter vertraut wie die von guten Freunden. Am nächsten Tag besuchte ich persönlich die Telekom und lernte meinen neuen Odyssee-Weggefährten, Herrn G. persönlich kennen. Er versprach mir, dass mir die Telekom für die Mühen auf meiner Odyssee zwei Monatsraten erließ. Dass ich jemals mein Handy wieder zurückbekomme versprach er mir schließlich auf Nachfrage auch. Und zwar spätestens am Mittwoch, den 16. August. 
Wie Odysseus seiner Heimkehr fieberte ich diesem Datum entgegen in der unerschütterlichen Hoffnung, endlich wieder mein Apple Gerät in die Arme schließen zu können. Doch obwohl ich stundenlang vor der Veranda ausharrte und auf den Lieferwagen wartete, ging ich auch an diesem Abend enttäuscht zu Bett. Tags darauf besprach der verzweifelte Odysseus erneut den Anrufbeantworter der Traunsteiner Telekom, diesmal beinahe flehend: Herr G., das Handy ist immer noch nicht da! Doch Herr G. war auch nicht da. Ich schätze, er ist höchstpersönlich nach Kalifornien geflogen um bei Apple vorstellig  zu werden um nachzufragen, was mit meinem Handy eigentlich los ist. Einzig mein guter Freund Herr L., rief spätabends erschöpft, ebenso ausgelaugt wie ich an und teilte mit, dass weder mein Handy noch Herr G. da seien. 
Es ist Tag 30 der Odyssee. Ich halte Euch auf dem Laufenden, wie die Odyssee weitergeht.
Liebe Grüße, 
Euer Odysseus

Nachtrag am 18.8.:
Gerade hat er G. angerufen: Er hat mir mitgeteilt, dass mein Handy inzwischen da ist! Stolz erzählte er, dass es "sehr gut ausschaut!" Apple hat festgestellt, dass mein Handy WIRKLICH defekt ist! Als ich Herrn G. schüchtern fragte, ob ich mir das Handy heute abholen darf, wurde er wieder nachdenklich: "Nein", erklärte er, "Das Handy muss nun wieder eingeschickt werden, dann haben Sie innerhalb einer Woche Ihr neues Handy!"
...
Odysseus legte ernüchtert wieder auf: Die Odyssee geht weiter.



Nachtrag am 21.8.:
Termin um 10:00 Uhr bei der Telekom. Nach sechzehn Minuten Wartezeit komme ich dran. Ich fordere ein, den Telekomshop mit einem eigenen Handy verlassen zu wollen. Überraschenderweise geht Herr G. auf alle meine Forderungen ein: Ich bekomme ein Huawei P9 (Endlich ein boarisches Handy!), nochmal zusätzlich 50 EUR Nachlass zu den ohnehin versprochenen erlassenen zwei Monatsraten. Beinahe geht es mir zu einfach und ich frage mich, ob ich mal wieder viel zu nett war. Zufrieden verlasse ich den Telekomshop. Ich habe ein neues Handy! Was ich immer noch nicht bekommen habe: Mein altes Iphone. Odysseus Reise geht also weiter...


Aktueller Stand am 28.8.:
Anruf von Herrn L.: Das Handy ist da! Einen Augenblick lang große Freude. Dann murmelt Herr L. allerdings, dass das Handy nicht repariert wurde, da kein Fehler vorliegt.
Ich eile zur Telekom. Diesmal muss ich nicht warten. Ich lerne die nette Frau T. kennen, die sich nun zu meinen treuen Weggefährten meiner Odyssee einreiht. Denn als ich das Handy auspacke ahne ich bereits, dass etwas nicht stimmt. Und tatsächlich: Ich rufe Frau T. an. Frau T.: "Hallo? Hallo? Hallo?". Sie versteht mich nicht. Das Mikrofon ist also noch immer kaputt.
Fassungslosigkeit. Unverständnis. Allerdings nicht bei mir, sondern bei Frau T. Sie entschuldigt sich tausendmal. Das Übel ist schnell erkannt. Auf dem Auftrag steht, die Frontkamera sei defekt. Das war meine Ausgangs-Reklamation vom Mai, die ja damals mit dem - nun auszutauschenden Austauschhandy gelöst wurde. "Aber das Mikrofon ist doch kaputt, nicht die Frontkamera!"
Es hilft nichts. Nach 6 Wochen Odyssee halte ich zwar mein altes neues kaputtes Handy in der Hand, aber wir sind wieder an jener Ausgangsposition, wo wir vor 6 Wochen begonnen hatten...
Frau T. berät sich mit Herrn L. Immerhin erfahre ich, warum es vor 6 Wochen begonnen hat, schief zu gehen: Die Telekom hatte einen Systemausfall und konnte meinen Auftrag nicht eintippen. Dann hat der DHL Bote mein Handy mitgenommen. 4 Wochen dauerte es, bis es wieder in Traunstein war. Weitere 2 Wochen bis Apple den (falschen) Auftrag bearbeitet hat.
Hier steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor.
Es beginnt wieder von vorne: Neuer Auftrag. Mehrmals frage ich nach, ob es mit der Gewährleistung Probleme geben wird, weil inzwischen mehr als 2 Monate seit Erhalt des Handys vergangen sind. Keine Antwort.
Immerhin bekomme ich diesmal eine Kopie des Auftragszettels...
Odysseus meldet sich wieder in spätestens zwei Wochen!

Samstag, 2. September: Das Ende der Telekom-Odyssee

Nachdem ich in Gedanken schon weitere 6 Wochen mit der Telekom stritt, ob mir noch Gewährleistung zusteht oder nicht und eine Beschwerde bei der Telekom-Zentrale mit einem Handstrich weggewischt wurde, geschah heute völlig unerwartet das Wunder:
An der Tür klingelte der Postbote. Aha, hat die Frau wieder was bestellt? Aber nein! Es war das wohl bekannte Apple-Packerl. Die Freude zunächst noch gedämpft. Die Frage war nun: Das alte Gerät erneut zurück - oder ein Austauschgerät?
Große Erleichterung: Die Telekom und Apple haben es eingesehen, dass man mit dem alten Iphone nicht mehr telefonieren konnte: Endlich habe ich mein Austauschgerät bekommen!

Odysseus neues Iphone 6 64 GB kann man übrigens nun auf Ebay Kleinanzeigen kaufen: Klick hier

Ich möchte mich noch einmal bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Telekom und Apple bedanken, die bei meiner Odysse mitgemacht haben:
Frau 1, Telekom Traunstein
Der unbekannte DHL Bote
Herr S., Telekom Traunstein
Herr L., Telekom Traunstein,
Herr G., Telekom Traunstein
Frau T., Telekom Traunstein
Herr W. von der Handycheck Beschwerdestelle
Unser Postbote

Herzlichen Dank an Euch alle!

Sonntag, 6. August 2017

Warum Herr Hagebeck sterben muss - Alkoholismus im Roman

Der Roman von Meike K. Fehrmann


Bücher die Alkoholkonsum auf unterschiedliche Weise
aufarbeiten
Meike K. Fehrmann, meiner Autorenkollegin aus Traunstein ist es gelungen, gleich mit ihrem ersten Roman einen Nerv zu treffen: "Warum Herr Hagenbeck sterben muss" ist ein Jugendroman über das meist tabuisierte Thema Alkoholismus. 
Besonders das Traunsteiner Annette-Kolb-Gymnasium hat das Buch bereits in den Unterricht mit einbezogen. Bemerkenswert ist auch, dass das Thema gleich von der lokalen Kulturszene aufgenommen wurde: Das Junge Ensemble Chiemgau unter Leitung von Svetlana Teterja-Pater den "Hagenbeck" als Theaterstück inszenierte. Das Stück wird seither immer wieder aufgeführt. Zuletzt in der Theaterstrickerei in Grabenstätt. 

Warum muss Herr Hagenbeck sterben?

Lukas ist ein durchschnittlicher Teenager. Was sein Leben außergewöhnlich macht: Sein Vater ist Alkoholiker. Während Lukas und seine Schwester Anne zwar immer wieder unter den Eskapaden ihres trinkenden Vaters zu leiden haben, ist ihr Alltag beinahe der einer trauten Familie im Vergleich zu Lukas'  Freund Kevin. Herr Hagenbeck ist nämlich Stiefvater von Kevin, ebenfalls Alkoholiker und einer der übelsten Sorte: Er schlägt seine Frau und das Kind, wenn er betrunken ist. Zusammen mit dem reichen Söhnchen Alexander, der sich ebenfalls outet, Sohn eines Alkoholikers zu sein, gründen die Teenager einen Club mit einem Ziel: Den gefährlichen Herrn Hagenbeck zu töten.
Zugegeben, eine provozierende Handlung. Dennoch ist es ein - trotz vieler empörender Ereignisse - leicht beschriebenes, oft humorvolles Jugendbuch das dazu einlädt, kontrovers diskutiert zu werden. Also ideal, um im Unterricht von Schulklassen durchgenommen zu werden.

Warum man Herrn Hagenbeck lesen muss 

Das Thema Alkoholismus wird bei uns in Bayern ebenso tabuisiert, wie der Alkohol an sich ein fester Bestandteil unseres Alltags ist. Der Konsum von Bier und Wein ist sozial toleriert, sogar erwünscht. Ein Landrat beispielsweise, der zum Frühschoppen Apfelschorle trinkt, kann kein echter Bayer sein. 
Meike K. Fehrmanns Roman lenkt den Blick auf die nicht zu unterschätzende Zahl von Menschen, die im direkten Umfeld eines alkoholkranken Menschen den Alltag zu bestreiten haben. Es lädt den Leser dazu ein zu reflektieren, wie der eigene Bezug zum Alkohol ist und wann der Zeitpunkt überschritten ist, an dem es "lustig" ist, einen über den Durst zu trinken. 
Besonders als Autor eines Buches, in dem von jungen Erwachsenen jede Menge gesoffen wird, ließ mich ein unangenehmes Gefühl nach der Lektüre nicht mehr los. Wer die "Kleinstadtrebellen" gelesen hat weiß, dass Cuba Libre eine Hauptrolle spielt, dass Justin, Peter und die anderen im Rausch so manche Straftat begehen. Der Erzähler wie der Autor schildern diese Exzesse allerdings heiter und wohlwollend. Nach dem "Hagenbeck" frage ich mich: Ist mein Justin ein Alkoholiker? Hätte ich Greta, seine Freundin, noch mehr unter seinem vom Alkohol angestachelten Treiben leiden lassen sollen?
Der Herr Hagenbeck wirft Fragen auf, da es eine feine Linie ist, die aus jugendlichem Wochenend-Alkoholkonsum eine Krankheit macht. Die einen haben vielleicht Glück gehabt, dass sich Konsum nicht in Sucht verwandelte. Andere nicht.
Was allerdings mit jenen passiert, die dieses Glück nicht hatten, lässt sich also nachlesen in "Warum Herr Hagenbeck sterben muss". Und deshalb sollte man auch dieses Buch unbedingt gelesen haben.

Herrn Hagenbeck kann man hier bestellen: https://meike-k-fehrmann.com/meine-buecher/

Mittwoch, 2. August 2017

Wie Sie auf Ihrer Lesung ein garantiert volles Haus haben

10 Tipps für Autoren - Die Autorenlesung

Wie Sie auf Ihrer Lesung ein garantiert volles Haus haben

So mancher Autor startete mit einer gefeierten Lesung
seine grandiose Karriere
Viele Autoren kennen das: Das Buch ist geschrieben und gedruckt, wird aber von Amazon und selbst dem Buchladen um die Ecke sträflich ignoriert. 
Die Lösung? Eine Lesung!  
Da es kein größeres Marketingdesaster gibt als vor leeren Stuhlreihen zu lesen, hier 10 todsichere Tipps, wie Ihre Lesung zum umjubelten Kulturevent des Jahres wird und Sie und Ihr Buch mit einem Schlag berühmt macht:



Nichts ist schlimmer als leere Stühle
auf einer Lesung
  1. Mieten Sie sich im größten Saal Ihrer Stadt ein! Je größer, desto besser. Nichts ist demütigender als ein volles Haus - in einer Besenkammer.
  2. Machen Sie möglichst wenig Werbung! Ihre Leser wollen nicht bevormundet werden. Wer sich für Ihr Werk interessiert, der muss nicht extra von Zeitungsartikeln oder - noch schlimmer - Social Media Posts ständig auf Ihre Lesung hingewiesen werden.
  3. Sie wollen auf ein Plakat nicht verzichten? Ok, dann verraten Sie nicht zuviel! Es reicht völlig, den Ort, Uhrzeit und den Hinweis "Lesung" auf das Plakat zu drucken. Auch das Wort "Literatur" in großen Lettern zieht immer. Wenn Sie mit Details glänzen möchten, können Sie ja eine möglichst avantgardistisch-verspielte Clipart groß auf dem Plakat platzieren. Idealerweise eine Grafik, die rein gar nichts mit dem Thema Ihrer Lesung zu tun hat. Leser lieben Überraschungen!
  4. Verzichten Sie auf ein unterhaltsames Rahmenprogramm. Musikbegleitung oder ähnliches lenkt die Zuhörer nur von Ihrer Literatur ab. Wenn schon unbedingt Musikbegleitung, dann wählen Sie Musik, die im scharfen Kontrast zu Ihrem Buch stehen: Also Jazz bei Popliteratur. Einen Elektro-DJ zu einer Mundartlesung. Auch eine klassische Harfinistin soll so manche Lesung eines Jugendromans hübsch umrahmt haben.
  5. Sie möchten gemeinsam mit einem Autorenkollegen auftreten? Immer schlecht. Wer teilt schon gerne die Aufmerksamkeit der Zuhörer? Wenn, dann sollten es möglichst viele Autoren auf der Bühne sein. Je mehr Autoren aus möglichst unterschiedlichen Genres, desto mehr Zuhörer werden Sie zu Ihrer Lesung locken.
  6. Wer ist ein geeigneter Co-Autor? Lassen Sie niemals zu, dass ein gutaussehender Autor / Autorin neben Ihnen auf der Bühne Platz nimmt. Erfahrungsgemäß sind gutaussehende Menschen schlechte Autoren - und niemand will auf die Lesung von Autoren gehen, die zwar ein optischer Leckerbissen sind, aber miese Prosa liefern.
  7. Zusammenarbeit mit Schulen? Niemals! Es gibt kein schrecklicheres Publikum als Hunderte Schüler, die Ihrem Werk lustlos folgen, dazwischenquatschen und am Ende doofe Fragen stellen. Schulklassen auf Lesungen sind die Hölle!
  8. Humor hat auf Lesungen nichts verloren. Literatur ist eine ernsthafte Angelegenheit. Lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, lustige Zoten zu reißen. Im Gegenteil! Referieren Sie ausführlich darüber, wie Ihr Werk entstanden ist!
  9. Werden Sie Mitglied in einer Autorenvereinigung! Dann brauchen Sie sich nie wieder um Ihre Besucherzahlen den Kopf zu zerbrechen. Denn allein die zahllosen Autorenkollegen/innen, die Sie bei Ihrer Lesung unterstützen wollen, werden für ein volles Haus sorgen! 
  10. Verlangen Sie den Eintritt, der Ihnen zusteht! Freier Eintritt sagt nichts anderes als: Der Abend ist nichts wert. Verlangen Sie mindestens 8 EUR. Zu wenig? Sollten Sie 15 EUR oder mehr verlangen wollen, gestalten Sie den Abend länger: Drei Stunden mindestens. Kündigen Sie dies auf dem Plakat an! Verglichen mit 4 Stunden Literaturlesung sind 20 Euro fast geschenkt!
Sie haben sich an alle Tipps gehalten? Herzlichen Glückwunsch! Sie werden im Nu zum beliebtesten Autor der Stadt und treten bald nur noch auf, wenn der Bürgermeister eine Laudatio hält. Oder der Landrat. Oder der Papst.

Dienstag, 1. August 2017

Wie Jan Wagner zur Lyrik verführt und ich was gelernt habe

Regentonnenvariationen

Jan Wagners Lyrik-Verführung


Jan Wagners Lyrik inmitten meiner Zierpflanzenzucht
Jan Wagner, einer der Autoren der Stunde, Abräumer der wichtigsten Literaturpreise, ist  ein wunderbar seltenes, vom Aussterben bedrohtes Pflänzlein: Er ist Lyriker!
Klar, als Student durchforstete man noch die Liebhaberbuchhandlungen auf der Suche nach Heinrich Heine und Josef von Eichendorff. Aber zeitgenössische Dichtung kam einem nicht ins Haus. Höchtens mal der Erich Fried wegen seinen Liebesgedichten. Also dem einen. Aber keine Bachmann und der dichtelnde Grass schon gleich gar nicht. Warum jetzt also Jan Wagner?
Schuld ist die Autorenkollegin Meike K. Fehrmann. Auf der Schreibwerkstatt der Chiemgau Autoren auf der Rabenmoosalm versuchte sie, uns laptoptippenden Stubensitzerautoren mit Literatur über und in der Natur zu begeistern. 
Doch davor muss ich noch ganz was anderes erzählen: Als begeisterter Leser von Thoreaus "Walden" und leidenschaftlicher Garten-Amateur - manche nennen es Bio-Legastheniker, ziehe ich Jahr für Jahr unkontrolliert aber effektiv die tollsten Pflanzen. Dieses Jahr gingen von den unzähligen Samenstücken folgende Pflanzen auf: Erbsen, Gurken, Radieschen, Tomaten. Und eine wunderschöne Zierpflanze, die ich erst für eine Kartoffel hielt, später für den Sonnenhut den ich bereits im letzten Jahr in ebenselben Topf angepflanzt habe. Die Zierpflanze wuchs wahrhaft prächtig und es ließen sich mühelos Ableger nehmen und bald war es mir gelungen, sie zwischen Rucola und Zucchini zu ziehen, wo sie mit ihrer Pracht das Hochbeet verzierte. 
Die Chiemgau-Autoren lauschen dem Giersch
Und wie heißt sie, diese Wunderpflanze?
Jan Wagner bzw. Meike K. Fehrmann hat mich den Namen dieser außergewöhnlich robusten Pflanze gelehrt: Siehe "Regentonnenvariationen, Gedicht I": Meike K. Fehrmann räusperte sich, während im Hintergrund die Kuhglocken läuteten und der warme Sommerwind durch die Fichten fuhr. "Nicht zu unterschätzen:", rezitierte sie mit kräftiger Stimme die Lyrik Jan Wagners, "der Giersch" 
Mit jeder neuen Strophe, gewitzt gereimt, wortstark erdichtet, zeichnete Jan Wagner mit Meike Fehrmanns Stimme das Portrait jener Pflanze die ich - gleich der Kleine Prinz seine Rose - seit Wochen pflegte und umhegte: Der Giersch! Der Tyrannentraum, das Tyrannenunkraut, Nemesis des Deutschen Kleingärtners. 
"Der Giersch" hatte nun gleich mehrere Konsequenzen: 
- Der Musengärtner in mir ehrte die Pflanze fortan noch mehr.
- Zurück im Tal rannte ich sofort in den nächsten Buchladen und holte mir Jan Wagners Regentonnenvariationen. Und...
- Meike K. Fehrmann gelang es zwar nicht, ihre Autorenkollegen/innen zur Naturlyrik zu verführen, aber Jan Wagner verführte sie zum Dichten über die Natur.
So entstand ihr Gedicht "Die Kohldistel", die sie erst neulich auf der Bühne vortrug. Hier das Video: https://meike-k-fehrmann.com/2017/07/28/von-der-schreibwerkstatt-auf-die-buehne-video/
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So und ab jetzt wird wieder kräftig gedichtet! Wer macht mit?